Wenn sich Kinder Radikalen anschließen

Familienministerin Sophie Karmasin bei der "Präsentation der Beratungsstelle Extremismus und Deradikalisierungs-Hotline" im Dezember.
Anlaufstelle im Familienressort bewährt sich / Expertentreffen im Bildungsressort.

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine 17-jährige Tochter, die sich plötzlich verschleiert, zum Islam konvertiert, den Kontakt zu ihren Freunden abbricht – und nicht mehr in die Schule gehen möchte. Was sollen Eltern in einem solchen Fall tun?

„Es ist nicht produktiv, mit der Tochter über den Islamismus zu diskutieren“, erklärt Verena Fabris, die Leiterin der „Beratungsstelle Extremismus“ im Familienministerium. Auch mit Verboten würde man nicht das erreichen, was man bezwecken wolle – dass sich das Kind wieder in sein bisheriges Umfeld integriert. Am besten wäre, sich um eine „möglichst positive Beziehung zur Tochter zu bemühen“, sagt die Expertin.

Der geschilderte Fall ist real. Die aus Wien stammende Mutter der 17-Jährigen hatte sich an die vor 50 Tagen von der Regierung initiierte Anlaufstelle gewendet.
Die Fachleute dort hören zu, vermitteln Betroffene weiter zu anderen Einrichtungen, führen persönliche Gespräche – und kooperieren (auf Wunsch der Anrufer) auch mit der Polizei.

Die Mutter aus Wien sei zunächst einmal froh darüber gewesen, „dass sie über ihre Ängste reden konnte“, schildert Fabris. Sie kontaktierte dann auch eine Selbsthilfegruppe und einen Therapeuten. Die Tochter konnte zu einem Gespräch mit einem Theologen überredet werden. Trotzdem heiratete sie einen Salafisten. Fabris: „Nach drei Wochen ist sie zurückgekommen und möchte nun aus der Szene aussteigen.“

Wer ruft an?

Nicht alle Fälle gehen so positiv aus, es sind aber auch nicht alle derart dramatisch. 115 Anrufe wurde seit Anfang Dezember in der Beratungsstelle registriert, 28 davon kamen von besorgten Eltern. Familienministerin Sophie Karmasin bilanziert, die Zahlen würden zeigen, „dass es Beratungsbedarf gibt“.

Manche Anrufer befürchteten, dass die Kinder beabsichtigen, sich dem IS anzuschließen. Aber auch Lehrer, Sozialarbeiter und Leute, die sich über das Thema Extremismus & Prävention informieren wollen, kontaktieren die Hotline (0800/202044). Hier geht es zum Internetauftritt der Einrichtung.

Die Sozialarbeiterin Manuela Synek kennt die Wurzeln der Probleme aus ihrem Arbeitsalltag. Jugendliche, die zum Beispiel über lange Zeit keine Lehrstelle fänden, seien frustriert. „Manche schreiben 50 Bewerbungen – und bekommen nicht einmal eine einzige Antwort.“ Diese jungen Leute würden Zuwendung suchen. „Da setzen Salafisten an. Sie erklären ihnen, dass sie wichtig seien und gebraucht würden.“

Was können Lehrer tun? Mit derlei Themen wird sich am kommenden Montag auch eine 50-köpfige Expertenrunde im Bildungsministerium auseinandersetzen. Denn nicht nur Eltern sind immer öfter damit konfrontiert, dass ihre Kids mit dem radikalen Islam sympathisieren. Auch Pädagogen brauchen Unterstützung. Diskutiert wird bei der Veranstaltung etwa darüber, wie Lehrer präventiv arbeiten können (Projekte, Workshops).

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