Ein Kanzlerwechsel ist in Demokratie kein "Putsch"

Sieht so ein „Putsch“ aus? Ehepaare Voves und Kern
Wie ein schrilles Gratisblatt aus einem Schmankerl einen Staatsstreich konstruiert.

Der KURIER hatte in der Samstag-Ausgabe neben einen ausführlichen Artikel über den SPÖ-internen Integrationskrach zwischen Franz Voves und Michael Häupl ein kleines, dreizehnzeiliges "Schmankerl" gestellt. Inhalt: Voves hat auf der Grazer Opernredoute ÖBB-Generaldirektor Christian Kern zu Gast, was in Wien sicherlich als Provokation aufgefasst werde, da Kern als Kandidat für die Nachfolge von Werner Faymann gilt.

Ein schrilles Gratisblatt konstruierte daraus einen Staatsstreich und nahm den Ball-Besuch flugs als Beleg für die seit Tagen von dem Blatt verbreiteten, angeblichen "Putschpläne" gegen Faymann. Seitenlang wird alarmistisch vor steirischen Putschisten gewarnt.

Dass eine mögliche Faymann-Ablöse mit einer Terminologie diskreditiert wird, die im üblichen Sprachgebrauch auf Militärdiktaturen angewandt wird ("Putsch"), lässt tief blicken. Schließlich ist die Faymann-Häupl-SPÖ bekannt für ihre Spendierfreudigkeit (auf Steuerzahlerkosten) gegenüber Boulevardmedien.

Man könnte vermuten: Hat da jemand Angst, dass Geldquellen versiegen?

Eine Kanzler-Ablöse durch die eigene Partei ist kein "Putsch". In Österreich ist der Kanzler weder vom Volk noch vom Nationalrat gewählt. Realpolitisch ist er von der eigenen Partei gewählt, daher kann diese ihn auch ablösen.

Verfassungsrechtlich hängt der Kanzler vom Bundespräsidenten ab. Dieser betraut eine Person seiner Wahl mit der Regierungsbildung und kann diese Person auch entlassen.

Eingeschränkt ist der Bundespräsident bezüglich der Person des Kanzlers indirekt: das Vertrauen des Nationalrats in den Regierungschef muss gegeben sein, sonst droht ein Misstrauensvotum. Da die Österreicher Parteilisten ins Parlament wählen, ist das Vertrauen des Nationalrats eng mit der Partei verknüpft: Nominiert die SPÖ einen Kanzler, wird dieser wohl auch die Unterstützung der SPÖ-Abgeordneten haben.

Des Weiteren sollte ein neuer Kanzler – sofern man keine Neuwahl riskieren will – auch für den Koalitionspartner akzeptabel sein.

Rein rechtlich ist der Vorgang eines Kanzlerwechsels so: Fred Sinowatz (1986) und Franz Vranitzky (1997) schlugen in der SPÖ ihre eigenen Nachfolger vor und baten den Bundespräsidenten um ihre Entlassung. Der Bundespräsident gelobte dann den neuen Kanzler und die umgebildete Regierung neu an. Dafür gibt es klare Regeln in der Verfassung.

Wenn ein Kanzler nicht freiwillig geht, könnte eine Partei den Bundespräsidenten bitten, den Kanzler zu entlassen, mit der Begründung, dessen Rückhalt sei nicht mehr gegeben.

Christian Kern machte sich auf Facebook übrigens über das Gratisblatt lustig: "Putschversuche finden eher hinter dem Vorhang und nicht vor laufender Kamera statt." Kerns launiges Posting bekam binnen kurzer Zeit mehr als 800 "Likes".

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