Irmgard Griss hat bei den Frauen die Nase vorn

Familie Griss am 26.03.2016 in Graz.
Grundsätzlich ist es aber kein Vorteil, Kandidatin zu sein, sagen Expertinnen.

"Man kann immer etwas besser machen, aber ich bin ganz zufrieden. Es ist nicht so schlecht gelaufen."

So beurteilt Irmgard Griss ihren Auftritt bei den Duellen am Donnerstagabend im ORF. Die einstige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs musste sich ja mit fünf Männern matchen, da sie die einzige Frau im Rennen um den Einzug in die Hofburg ist.

Ist es eigentlich ein Vorteil, wenn man als Frau bei einer Wahl antritt – oder gar ein Nachteil? Und sollten Frauen Frauen wählen?

"Es ist kein Vorteil", sagt die Feministin und profil-Autorin Elfriede Hammerl – und betont auch: "Feministisch zu wählen, heißt nicht, blindlings eine Frau zu wählen." Wenn man aber zwischen einem Kandidaten und einer Kandidatin schwanke, sollten Frauen der Frau ihre Stimme geben.

Kompetent und souverän

Hammerl, einst Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens, hat im profil kürzlich geschrieben, sie werde Griss eher nicht wählen, unter anderem weil die Richterin Sympathien für Schwarz-Blau unter Wolfgang Schüssel erkennen habe lassen. Mittlerweile habe sie da aber "einiges zurechtgerückt", sagt Hammerl. "Ich werde mein Urteil daher in meiner nächsten Kolumne revidieren, weil mir Griss von Auftritt zu Auftritt sympathischer geworden ist. Sie kommt kompetent und souverän rüber." Diesen Eindruck dürften auch andere haben. Die Zustimmung für Griss ist unter den Frauen jedenfalls gestiegen. Das weiß OGM-Meinungsforscherin Karin Cvrtila: "Griss liegt bei den Frauen jetzt ganz knapp vor Van der Bellen."

Lange hatte der ehemalige Grünen-Chef bei den Wählerinnen am stärksten gepunktet. Cvrtila führt das Überholmanöver allerdings nicht darauf zurück, dass Griss eine Frau ist. Frauen würden Frauen in der Politik sogar "besonders kritisch betrachten". Dass Griss nun beim weiblichen Volk besser ankommt, "dürfte damit zusammenhängen, dass ihr Bekanntheitsgrad vor allem durch die TV-Auftritte gestiegen ist". Die parteiunabhängige Kandidatin habe sich da "durchwegs passabel geschlagen".

Griss selbst sieht nur einen Vorteil in dem Umstand, dass sie die einzige Frau ist, die um die Nachfolge von Bundespräsident Heinz Fischer buhlt: "Ich bekomme mehr Aufmerksamkeit, aber ob sich das auch auf das Wahlergebnis auswirken wird, weiß ich nicht."

Hat die Juristin Frauen bei Wahlen bevorzugt?

Es stünden selten Politikerinnen an der Spitze, daher habe sich diese Frage meist nicht gestellt, erläutert Griss. Aber als Heinz Fischer 2004 gegen Benita Ferrero-Waldner für das Präsidentenamt angetreten ist, habe sie die ÖVP-Kandidatin gewählt. "Ich fand die Kampagne gegen sie unfair."

Zahlreiche prominente Frauen, vor allem aus der SPÖ, hatten mit dem Slogan "Frau sein alleine genügt nicht" massiv gegen Ferrero-Waldner und für Fischer gekämpft. Das fand Griss nicht gerecht: "Ferrero-Waldner war Außenministerin und ist sehr sprachkundig." Die spätere EU-Kommissarin gab nach der Wahl den "linken Emanzen" die Schuld an ihrer Niederlage. "Diesen Ausdruck würde ich nicht verwenden", stellt Griss allerdings klar.

Hammerl hat Ferrero-Waldner nicht gewählt: "Sie ist den Feministinnen politisch in den Rücken gefallen." Griss hingegen trete etwa für flächendeckende Betreuungsplätze für Kinder ab einem Jahr sowie für Ganztagsschulen ein. Und sie verfüge durch ihr einstiges Dasein als berufstätige Alleinerzieherin "über eine gewisse Lebenserfahrung". Wobei sie "keinesfalls eine Landesmutter" wäre. Hammerl meint, "Griss wäre ein gutes Vorbild für junge Frauen, weil sie auf Bildung gesetzt hat". Die Juristin war ja sogar in Harvard – und hat erst später ihre Kinder bekommen.

Würde Griss nun ihre Karriere mit dem Präsidentenamt krönen, wäre das eine Premiere. Noch nie saß eine Frau in der Hofburg. Derzeit haben allerdings die Männer (Van der Bellen bzw. FPÖ-Mann Hofer) die Nase vorn – noch?

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