Auch Österreichs Juden fragen sich: Gehen oder bleiben?

IKG-Präsident Oskar Deutsch findet Netanyahu-Aufruf positiv
IKG-Präsident Deutsch bestätigt rege Diskussion von Gemeindemitgliedern, nach Israel auswandern zu wollen.

Gehen oder bleiben? – Diese Frage beschäftigt nach einer Serie von islamistischen Terroranschlägen und steigendem Antisemitismus auch viele österreichische Juden. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, bestätigt, dass Gemeindemitglieder intensiv darüber diskutieren, nach Israel auswandern zu wollen. Der Aufruf von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu an europäische Juden, nach den tödlichen Terrorattacken in Paris und Kopenhagen Schutz in Israel zu finden, ist für Deutsch positiv. "Es ist gut zu wissen, dass es diese Option gibt. Es liegt aber an den österreichischen Juden, selbst zu entscheiden, auswandern oder nicht."Die Angst unter Juden vor weiteren Anschlägen ist groß. "Es ist sehr beunruhigend, wir sind vor Terror nicht gefeit", erklärt Deutsch.

Schutz des Staates

Kanzler Werner Faymannversicherte gestern Österreichs Juden den "Schutz des Staates" und lobte ihre "wichtigen Beiträge für das Land". Deutsch erwartet sich, dass nach Österreich zurückgekehrte Dschihadisten zurückgeschickt und ihnen Pass sowie Staatsbürgerschaft entzogen werden. "Dafür muss man eben die Gesetze schaffen." Auch alle anderen EU-Staaten sollten so vorgehen. Die EU-Kommission sollte dringend einen eigenen Kommissar für den Kampf gegen Antisemitismus installieren. Peter Schwarz, der Geschäftsführer von ESRA, einem jüdischen Zentrum, das Überlebenden der NS-Verfolgung und deren Nachkommen Hilfe anbietet sowie jüdische Migranten im Integrationsprozess unterstützt, schätzt auch, dass "Juden in Israel offene Türen haben". Er spielt nicht mir dem Gedanken auszuwandern. "Man darf sich dem Terror nicht beugen. Juden sind Teil der österreichischen Gesellschaft."

"Mulmiges Gefühl"

Der Unternehmer Victor Wagner, Präsidenten der österreichischen B’nai B’rith-Loge fordert, Hass-Kriminalität stärker zu bestrafen. "Immer mehr Juden werden auf der Straße angepöbelt, vor allem, wenn sie ein jüdisches Symbol, eine Kippa oder einen Davidstern tragen." Er selbst hat ein "mulmiges Gefühl" in der jüdischen Bäckerei oder Supermarkt das Essen für den Sabbat einzukaufen. "Es gibt hier viel zu wenig Bewachung."Wagner kennt mindestens "100 junge Juden, die nach Israel ausgewandert sind, viele davon, weil sie die Anpöbelungen nicht mehr ausgehalten haben.

Juden in der EU
Österreich: Laut Schätzungen leben zwischen 12.000 bis 15.000 Juden in Österreich, 8000 sind IKG-Mitglieder. Die IKG startet ein Einwanderungsprojekt. 500 Juden jährlich sollen aus Osteuropa einwandern.
Deutschland: Hier leben 120.000 Juden.

Großbritannien: 295.000.
Frankreich: 600.000 Juden, größte EU-Gemeinde.

Migration nach Israel 2014

Jüdische Auswanderer 26.500 Juden aus der EU gingen nach Israel (die Hälfte aus Frankreich), ein Drittel mehr als 2013.

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