Mikl-Leitner stellt Ländern Ultimatum

Johanna Mikl-Leitner
Ministerin: Jeder vierte Flüchtling zu Unrecht da. Kärnten fordert: Mehr Druck auf EU.

Die unkoordinierte und von Hickhack geprägte Asylpolitik wird trotz der blauen Erfolge bei den Landtagswahlen fortgesetzt.

Während am Mittwoch in Traiskirchen Zelte für Flüchtlinge aufgestellt wurden, echauffierte sich Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) öffentlich darüber, dass Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) seine Kasernen-Quartiere nicht für Asylwerber nutzt. Er habe 2800 Plätze offeriert. "Es liegt schon im ressortmäßigen Bereich der Innenministerin, dieses Angebot jetzt auch endlich in Betracht zu ziehen. Damit die Zelte nicht mehr notwendig sind", sagte Klug im ORF-Radio. Ultimatum an LänderKanzler Werner Faymann stehe hinter dem Verteidigungsminister und dessen Position, hieß es auf KURIER-Anfrage im Büro des SPÖ-Chefs. Auch Faymann bleibe dabei, dass Zelte keine gute Lösung seien. Mikl-Leitner hat gestern den Ländern eine Frist bis 19. Juni gesetzt: Sollten bis dahin die Quoten nicht erfüllt sein, will sie per Verordnung Kasernen öffnen lassen.

Klug befand, es müsse Schluss sein "mit Zuspitzung und Eskalation in der Flüchtlingsfrage". Er gestand auch ein, dass die Politik – also Bund, Länder und Gemeinden – in Sachen Asylwerber bisher versagt hat: "Wir diskutieren das Thema seit gut einem Jahr, der Anstieg war absehbar, trotzdem gibt es bis heute keine gangbare Lösung."

Mehr Abschiebungen

Mikl-Leitner hat gestern eine Art Zwischenlösung präsentiert: Sie lässt "Dublin-Fälle" ab sofort "prioritär behandeln". Das heißt, die Verfahren von Flüchtlingen, die nachweislich über andere EU-Länder nach Österreich kommen, sollen bevorzugt abgewickelt werden. Ziel ist, Betroffene möglichst rasch in jenes EU-Land abzuschieben, in das sie als erstes eingereist sind (vor allem Ungarn und Bulgarien). Denn die Asylverfahren sollen in den "Erstländern" durchgeführt werden. Etwa ein Viertel aller Asylwerber sind laut Innenministerium "Dublin-Fälle".

Alle anderen Neuankömmlinge können zwar in Österreich um Asyl ansuchen, ihre Verfahren werden aber "befristet ausgesetzt".

Mikl-Leitner will mit der "Dublin-Strategie" erreichen, dass Flüchtlingsunterkünfte rascher frei werden. Denn der Strom reißt nicht ab. Im Mai seien 6240 Asylanträge gestellt worden. "Das ist auf die Bevölkerungszahl gerechnet so viel wie nirgendwo sonst in Europa. Österreich ist Zielland Nummer 1", berichtete die Ministerin, die heuer mit 70.000 Anträgen rechnet.

Sie drängt erneut auf eine europäische bzw. internationale Lösung. Mikl-Leitner fordert, dass Flüchtlinge in der EU gleichmäßig verteilt werden (ist in einigen Ländern umstritten); dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat eine Anlaufstelle in Nordafrika einrichtet; dass die EU-Außengrenzen stärker überwacht werden. Diese Linie müsse Österreich in Brüssel einheitlich vertreten, forderte die Ressortchefin in der dieswöchigen Regierungssitzung.

Limit für Flüchtlinge

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ist das zu wenig. Österreich müsse den Druck auf die EU erhöhen, indem man "eine zahlenmäßige Beschränkung von Flüchtlingsaufnahmen in den Raum stellt". Das könnte Österreich beispielsweise beim nächsten EU-Innenministerin-Treffen Mitte Juni aufs Tapet bringen, meint Kaiser.

Lediglich ein Maschendrahtzaun trennt die Erstaufnahmestelle in Traiskirchen vom Gelände der Sicherheitsakademie. Neugierig starrten am Mittwoch immer wieder Gruppen von Flüchtlingen hindurch – auf einen bisher ungenutzten Sportplatz, auf dem Stück für Stück eine Zeltstadt für bis zu 480 von ihnen entstand.

Um 9.03 Uhr begannen die Arbeiten. Strahlender Sonnenschein und gute Laune bei den 102 Polizeischülern, die zum Zeltbau eingeteilt worden waren – eine Stimmung wie im überdimensionierten Pfadfinderlager. Eigentlich wäre für die künftigen Polizisten ja Einsatztaktik auf dem Lehrplan gestanden. "Das lässt sich mit dem organisierten Aufbau der Zelte verbinden", erklärt SIAK-Chef Arthur Reis. 60 Zelte sollten bis bis 20 Uhr stehen, schon um 15 Uhr war alles fertig.

Von der prallen Sonne aufgeheizte Planen, spärlich möbliert mit Betten und kleinen Kästchen für das Allernötigste. Fürs Essen und die Sanitärräume müssen sich die umgesiedelten Flüchtlinge weiter in der Erstaufnahmestelle anstellen.

"Dort stehen Räume leer und die Menschen müssen in Zelte", schiebt man im Innenministerium die Schuld auf Bürgermeister Babler und seinen Bescheid zur Reduktion der Belagszahl im Lager auf 1400. Rund 470 Asylwerber waren schon zuvor in Zelten untergebracht; 218 in Linz, 170 in Salzburg und 81 in Thalham.

Eigentlich hält Wolfgang Schüssel mittlerweile nichts davon, sich zu innenpolitischen Themen zu verbreitern – vieles im Land ist ihm zu kleinkariert, zu banal.
Doch als der Kanzler a. D. Dienstagabend in Wien sein jüngstes Oeuvre bewarb („Das Jahrhundert wird heller“, Amalthea, 20,52 Euro), da kam er irgendwie nicht umhin, zumindest zur wogenden Asyl-Thematik etwas zu sagen. „Wir brauchen eine präzise Trennung zwischen Kriegsflüchtlingen und Zuwanderern“, sagte der vormalige ÖVP-Chef. „In der Schweiz wird das binnen 48 Stunden entschieden.“ Für Schüssel durchaus nachahmenswert.

Der Altkanzler nimmt bei der Asyl- und Migrationsdebatte nicht nur die institutionalisierte Politik, also Bund, Länder und Gemeinden, in die Pflicht; er wandte sich auch an „Kirchen und Wirtschaft“: „Es gibt viele leer stehende Industriegebäude, die man als Flüchtlingsunterkünfte verwenden könnte.“

Ausnehmend emotional zeigt sich der bald 70-Jährige in der Bildungsdebatte: Es gehe nicht an, dass das Bildungssystem derart schlecht gemacht werde. „Das macht mich wahnsinnig.“

Nicht mit stetem Tropfen versucht Andreas Babler den Stein zu höhlen – eher mit faustgroßen Hagelkörnern. "Massenlager" nennt er die Erstaufnahmestelle in Traiskirchen konsequent. Ein "tagtäglicher Schandfleck für die Republik". Schuld daran: "Das völlige Versagen der zuständigen Ministerin."

13 Monate ist der 42-Jährige Bürgermeister von Traiskirchen, einer Stadt mit knapp 20.000 Einwohnern. Zuvor kannten ihn die meisten als jenen Mann, der wegen des Wehrpflicht-Schwenks Bundeskanzler Faymann die Stimme auf dem Parteitag verwehrte, seither hat er es mit dem Kampf gegen die Zustände im Flüchtlingslager zu überregionaler Bekanntheit und medialer Dauerpräsenz gebracht. Er steht zunehmend unter Kritik, auch wenn er von sich sagt, dass ihn allein die Sorge um die Asylwerber umtreibe: "Peinliche Selbstinszenierungen", wirft ihm ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel vor. "Scharfmacher", nennt ihn Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. "Unsensible Sprachwahl" attestieren ihm Mitarbeiter der Erstaufnahmestelle.

Dabei wäre er doch so gerne nur Lokalpolitiker. "Ich wäre glücklich, als Bürgermeister von Traiskirchen in Pension gehen zu können", meint Babler, der beim roten Urgestein Fritz Knotzer 20 Jahre lang in die Lehre ging und selbst aus einer Arbeiterfamilie stammt. Möglich scheint es. Denn in Traiskirchen kommt Bablers Art an: Unglaubliche 73,10 Prozent fuhr er bei den Gemeinderatswahlen ein, 4,21 mehr als sein Vorgänger und Rekord.

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