Neues Zeltlager, diesmal in Traiskirchen

Neues Zeltlager, diesmal in Traiskirchen
Mitten im Streit um Quoten werden weitere Zelt-Unterkünfte errichtet.

Der Wunsch von Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) nach einer Reduzierung der Flüchtlingszahl in der Erstaufnahmestelle geht in Erfüllung: Nur noch 1400 statt der zuletzt knapp 2000 Flüchtlinge sollen sich Mittwochabend im Traiskirchner Lager befinden. Doch die Form der Reduktion der Flüchtlinge hat sich Babler aber anders vorgestellt. Statt von den Ländern übernommen zu werden, übersiedelt der größte Teil einfach ein paar Meter weiter. Bis zu 480 Flüchtlinge sollen auf dem Gelände der Sicherheitsakademie, das direkt an die Erstaufnahmestelle grenzt, untergebracht werden. In 60 Zelten, die am Mittwoch aufgestellt werden.

"Mit weiteren 160 unbegleiteten Minderjährigen, die in Quartiere in den Ländern aufgeteilt werden, können wir so das Ziel von 1400 erreichen", erklärt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums.

"Das wäre ein klarer Rechtsbruch, weil auch die Zelte bewilligt werden müssen."

Rechtswidrig

Der bau- und feuerpolizeiliche Bescheid, mit dem Babler das Ministerium zur Reduzierung der Flüchtlinge auf 1400 zwingt, wird somit zum Bumerang: Nach einem Zimmerbrand am Samstag hatte er ihn erlassen, das darin enthaltene Ultimatum endet Mittwoch um 20.40 Uhr. Dazu Grundböck: "Wir sind der Meinung, dieser Bescheid ist rechtswidrig, müssen uns aber an ihn halten, solange über unser Rechtsmittel nicht entschieden ist."

Für rechtswidrig hält wiederum Babler die Zelte: "Wenn sie aufgestellt werden, muss die Ministerin zurücktreten. Das wäre ein klarer Rechtsbruch, weil auch die Zelte bewilligt werden müssen." Nüchterner Kommentar aus dem Innenressort: "Das sehen wir anders."

Die Vorgänge in Traiskirchen stehen aber im Gegensatz zum Geist, der am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat beschworen wurde (siehe unten). Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner forderten, in der Flüchtlingsfrage an einem Strang zu ziehen, Bund, Länder und Gemeinden müssten zusammenarbeiten.

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Der Ministerrat hat am Dienstag etwas länger als üblich gedauert: Die Regierungsmitglieder hatten nach der Wahlschlappe von SPÖ und ÖVP in der Steiermark und im Burgenland Analyse- und Gesprächsbedarf.

Im Zentrum stand die Debatte über die Flüchtlingspolitik; Innenministerin Johanna Mikl-Leitner berichtete über die Krisenherde im Nahen Osten und Afrika sowie darüber, was auf Österreich zukommen dürfte: bis zu 70.000 Asylwerber in diesem Jahr, nicht wie bisher angenommen 50.000. Im Mai war Österreich Zielland Nummer eins, gefolgt von Deutschland und Schweden.

Konsens gab es in der Koalition, dass Bund, Länder und Kommunen in der Frage der Unterbringung der Flüchtlinge an einem Strang ziehen müssten. "Allein kann das die Innenministerin nicht bewältigen", sagte Kanzler Werner Faymann nach dem Ministerrat. Und der FPÖ richtete er aus, dass es "eine Schande ist, mit der Unterbringung und der Würde von Menschen politisch punkten zu wollen".

Erneuter Quoten-Ruf

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sieht es ähnlich: "Aufgabe der Politik ist es, Angst zu nehmen, über Hintergründe, Fakten aufzuklären und Probleme zu lösen." Die Regierungsspitze verlangt neben nationalen Anstrengungen ein EU-weites Quotensystem, um Länder, die vom Flüchtlingsansturm besonders betroffen sind, zu entlasten.

Neues Zeltlager, diesmal in Traiskirchen
Gäbe es bereits so eine Quote, müsste Österreich 2,6 Prozent der in die EU kommenden Flüchtlinge aufnehmen, derzeit gibt Österreich fünf Prozent aller EU-Flüchtlinge Schutz und Quartier.

Faymann dämpfte allerdings die Erwartungen, wonach ein faire Aufteilung der Flüchtlinge rasch kommen würde. "Das werden noch harte Verhandlungen werden. Es gibt in der EU zehn Länder, die gegen die Quote sind und Parteien, die gegen Menschen hetzen." Er meinte damit auch die FPÖ.

Häupl ist gegen Zelte

Dass es zu diesem "Schulterschluss der Bundesregierung in der Asylfrage" kommt, wie es die Innenministerin im KURIER-Gespräch gefordert hatte, ist nicht garantiert. Der heftige Streit über die Zelte, die Mikl-Leitner als Notquartiere aufstellen ließ, wurde gestern fortgesetzt.

Dem Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl platzte der Kragen: "Zeltstädte müssen weg", sagte er bei einem Pressegespräch (siehe auch Chronik, Seite 19) – und attackierte damit die Maßnahmen der Innenministerin. Häupl wurde noch schärfer. "Zeltstädte sind für Österreich unwürdig, Quartiere müssen humanitären Prinzipien entsprechen." Es sei seine Überzeugung, dass Menschen, "die mit ihren Kindern um ihr Leben fürchten und vor Krieg fliehen, geholfen werden muss". Es bedürfe allerdings besonderer Anstrengungen, zusätzliche Quartiere in Österreich zu schaffen.

Die Antwort von Innenministerin Mikl-Leitner ließ nicht lange auf sich warten: Sie richtete den gegen eine innerösterreichische Quote ankämpfenden Bürgermeistern und Landeshauptleuten aus, damit für "eine Zuspitzung" der Flüchtlingsfrage zu sorgen. "Das Versteckspiel bei der Unterbringung von Asylwerbern muss beendet werden."

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