Ukraine: Poroschenko droht mit Kriegsrecht

Die ukrainische Armee bei Artemivsk im Osten des Landes.
Schon vor Inkrafttreten der Feuerpause warnt man sich gegenseitig. Beobachter sehen Gewalt-Eskalation.

Sollte die geplante Waffenruhe scheitern, will der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erneut das Kriegsrecht im ganzen Land ausrufen. "Wenn es keinen Frieden gibt, müssen wir die sehr schwere, aber notwendige Entscheidung treffen", bekräftigte Poroschenko am Samstag in Kiew der Agentur Interfax zufolge. Diesem Schritt müsste zunächst das Parlament zustimmen. Beobachter warnen vor einer Eskalation der Gewalt und einem möglichen Staatsbankrott, würde es dazu kommen.

In der Nacht auf Sonntag, Punkt Mitternacht, sollen die Wafffen in der Ostukraine schweigen – ob das gelingt, ist fraglich: Schon vor Beginn der in Minsk vereinbarten Waffenruhe warnen sich die gegnerischen Parteien nämlich davor, die Bedingungen nicht einzuhalten.

Die Separatisten drohen mit einer Fortsetzung der Kämpfe: Wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten würden, werde weiter gekämpft, sagte Separatistenführer Eduard Bassurin am Samstag in Donezk. Auch Kiew sieht die vereinbarte Waffenruhe mit den pro-russischen Separatisten schon vor ihrem Inkrafttreten "in großer Gefahr". Präsident Petro Poroschenko warf Russland am Freitagabend eine "deutliche Ausweitung" der Offensive in der Ostukraine vor.

Poroschenko bezeichnete die Angriffe auf Zivilisten durch die prorussischen Rebellen als "Attacke auf die Vereinbarung von Minsk". "Leider ist nach dem Abkommen von Minsk die offensive Operation Russlands deutlich ausgeweitet worden", sagte Poroschenko nach einem Treffen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in Kiew. Seine Regierung sehe das Abkommen "in großer Gefahr".

Tausende Soldaten eingekesselt?

Derzeit wird ohne Pause gekämpft - insgesamt wurden binnen 24 Stunden mindestens 28 Opfer gezählt, darunter 16 Zivilisten. Der ukrainische Armeesprecher Andrej Lyssenko kündigte an, das Militär werde seine Stellungen im Kriegsgebiet bis zum Inkrafttreten der Feuerpause halten.

Bei dem schwer umkämpften Verkehrsknotenpunkt Debalzewo nordöstlich von Donezk hätten die Kämpfe zugenommen, sagte Separatistenführer Bassurin der Agentur Interfax zufolge. Dort sollen Tausende ukrainische Soldaten eingekesselt sein. Kiew dementiert dies.

Ukraine: Poroschenko droht mit Kriegsrecht
Newly mobilized soldiers train with weapons at the 169th training center of Ukrainian ground forces "Desna" in the Chernihiv region February 13, 2015. REUTERS/Valentyn Ogirenko (UKRAINE - Tags: MILITARY POLITICS CIVIL UNREST CONFLICT)
Unklar ist unterdessen, ob sich auch die Kämpfer des rechtsradikalen ukrainischen "Rechten Sektors" an die Waffenruhe halten werden. Im Falle eines ukrainischen Abzugs schwerer Technik und Artillerie aus dem Kriegsgebiet behalte sich der "Ukrainische Freiwilligenkorps" vor, Kampfhandlungen bis "zur völligen Befreiung ukrainischer Erde" fortzusetzen, erklärte Rechtsradikalen-Chef Dmytro Jarosch am Freitag via Facebook.

USA werfen Russland Waffenlieferungen vor

Die USA warfen unterdessen Russland vor, eine weitere Waffenlieferung an die prorussischen Separatisten zu planen. Russland habe entlang der Grenze eine große Lieferung von Nachschub vorbereitet, sagte die Sprecherin im Washingtoner Außenministerium, Jen Psaki. "Das ist eindeutig nicht im Geist der Vereinbarung dieser Woche." Alle Beteiligten seien angesichts der geplanten Waffenruhe zu Zurückhaltung aufgerufen. Russland bestreitet konsequent, den Aufständischen mit Waffen zur Seite zu stehen.

Großbritannien hat der Ukraine indessen gepanzerte Truppentransporter des Typs Saxon übergeben. Die ausgemusterten Panzerwagen würden gemäß eines Vertrages von 2013 unbewaffnet geliefert, teilte das Londoner Verteidigungsministerium nach einem Bericht des Guardian mit. "Tödliche Waffen" liefere Großbritannien nicht, hieß es.

Nach unbestätigten Angaben wurden 20 Saxon bereits übergeben; 55 weitere sollen folgen. Die Frage von Waffenlieferungen an die ukrainische Regierung für den Kampf gegen die Separatisten ist in Europa umstritten.

Mehr zum Minsker Abkommen lesen Sie hier: Ukraine - Deal mit "schwachen Punkten"

Kommentare