Der "Batman" nimmt den Hut

Bulgarian Prime Minister Boiko Borisov walks away after his speech in the Parliament in Sofia February 20, 2013. Bulgaria's government resigned from office on Wednesday after nationwide protests against high electricity prices, joining a long list of European administrations felled by austerity. Prime Minister Borisov had tried to calm protests by sacking his finance minister, pledging to cut power prices and punish foreign-owned companies but the measures failed to defuse discontent and protests continued on Tuesday. REUTERS/Julia Lazarova (BULGARIA - Tags: POLITICS)
Nach Massenprotesten gegen hohe Strompreise tritt Premier Borissow ab – und kommt vielleicht wieder.

Er war angetreten als der Saubermacher. Als starker Mann. Als Polit-Popstar, der durchaus mit Stolz den Spitznamen „Batman“ trug. Eine Karriere vom Leibwächter zum nicht immer unumstrittenen Mafiajäger im Innenministerium und über den Bürgermeisterposten in Sofia zum Premierminister Bulgariens. Jetzt ist er Ex-Premier. Am Mittwoch gab Bojko Borissow seinen Rücktritt bekannt – und den seiner gesamten Regierung.

Borissow zog damit die Konsequenz aus einer seit Wochen anhaltenden Protestwelle gegen hohe Strompreise – die aber sehr bald in eine Revolte gegen seine Regierung umgeschlagen war. Er wolle nicht Teil einer Regierung sein, unter der die Polizei Menschen verprügle, sagte Borissow am Mittwoch. Und weiter: „Es ist das Volk, das uns die Macht brachte – und wir geben sie ihm heute zurück.“

Pathetische Worte für einen Mann, den man durchaus als einen Großmeister der Selbstinszenierung bezeichnen könnte. Am Donnerstag muss das Parlament dem Rücktritt noch zustimmen. Danach liegt es an Präsident Rosen Plewneliew – ein Parteifreund Borissows –, eine Übergangsregierung zu ernennen. Aber so ganz will niemand glauben, dass dies das Ende der politischen Karriere Borissows ist. Immerhin ist Wahlkampf.

Regulär sollte kommenden Juli ein neues Parlament gewählt werden. Jetzt ist von einem Termin im April die Rede. Und die Vermutung liegt auf der Hand, dass Borissow mit dem Rücktritt vor allem ein Ziel verfolgte: Die Notbremse zu ziehen, bevor die Proteste weitere Kreise ziehen so knapp vor der Wahl. Über eine mögliche Kandidatur äußerte sich Borissow jedoch noch nicht.

Massenproteste

Für das mit wirtschaftlichen Turbulenzen und Nöten durchaus vertraute Bulgarien waren die Demonstrationen der vergangenen Wochen absolut ungewöhnlich. Beobachter sprechen von den größten sozialen Protesten seit dem Hungerwinter 1996/1997. Mindestens drei Menschen zündeten sich im Zuge der Proteste selbst an. Eine Person starb. Büros und Autos der beiden dominierenden Stromanbieter (die tschechische CEZ und die österreichische EVN) wurden angezündet (siehe Artikelende). Dutzende Menschen wurden bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei verletzt.

Den Anstoß zu den Protesten hatten die hohen Strom- und Energiepreise in dem ärmsten EU-Land gegeben, in dem der Durchschnittslohn bei rund 400 Euro liegt. Das ist der niedrigste Schnitt in der gesamten EU. Und selbst nach dem EU-Beitritt Kroatiens 2014 wird Bulgarien nach jetzigem Stand weiter EU-Schlusslicht bleiben.

Zuletzt hatte Borissow noch vehement versucht, eine Senkung des Strompreises zu erreichen. Der CEZ wurde die Lizenz entzogen. Und noch am Dienstagabend hatte Borissow Forderungen nach seinem Rücktritt vehement zurückgewiesen – nachdem am Vortag bereits Finanzminister und Vize-Regierungschef Simeon Djankow zurückgetreten war.

Die Wut der Menschen in Bulgarien über die Regierungspolitik traf auch das niederösterreichischen Energieunternehmen EVN, das seit 2004 den Süden des Landes mit Strom versorgt. Vor dem EVN-Gebäude in Plovdiv marschierten protestierende Bürger auf, Firmenautos wurden in Brand gesetzt.

In der EVN-Zentrale im niederösterreichischen Maria Enzersdorf bemüht man sich um Schadenbegrenzung. „Wir nehmen die Situation sehr ernst. Dennoch machen wir weiter für unsere 1,5 Millionen Kunden in Bulgarien“, betont EVN-Sprecher Stefan Zach. Die EVN sei in Bulgarien eigentlich die falsche Adresse für Proteste. Denn die Strompreise würden nicht vom Unternehmen, sondern von der staatlichen Regulierungsbehörde festgelegt. „Wir kaufen Strom von staatlichen Kraftwerken zu festgesetzten Preisen und beliefern unsere Kunden zu vorgegebenen Preisen“, erklärt Zach. Der bulgarische Strommarkt sei zu 100 Prozent reguliert.

Seit dem Kauf der südbulgarischen Stromversorgung habe die EVN 550 Millionen Euro im Land gelassen: 271 Millionen Euro betrug der Kaufpreis für den zunächst 67 Prozent-Anteil an den Versorgern. Für gut 50 Millionen Euro wurden später noch Aktien zugekauft. Der Rest wurde in die Sanierung der Stromleitungen und in den Aufbau von Kundenservice gesteckt.

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