Flüchtlinge: Italien fürchtet neue Routen und Rekordjahr

Flüchtlinge: Italien fürchtet neue Routen und Rekordjahr
Allein am Dienstag sind 1569 Flüchtlinge von der Küstenwache vor Sizilien gerettet worden.

"2016 wird für Italien ein neues Rekordjahr werden, was Migrantenankünfte betrifft", gab sich der Bürgermeister der sizilianischen Hafenstadt Pozzallo am Dienstag gegenüber der Tageszeitung Corriere della Sera besorgt. Nach der Schließung der Balkanroute fürchtet Italien jetzt einen neuerlichen Anstieg der Flüchtlingsankünfte aus Libyen über das Mittelmeer.

"Allein in Pozzallo sind seit Anfang 2016 7.000 Migranten eingetroffen. Nach der Grenzschließung der Balkanroute werden die Syrer wie 2014 wieder massiv versuchen, über Italien nach Europa einzureisen", glaubt der Bürgermeister. Am Dienstag rettete die Küstenwache insgesamt 730 Flüchtlinge vor der libyschen Küste, die nach Pozzallo gebracht wurden. Insgesamt waren es 1569 Flüchtlinge, die am Dienstag bei elf verschiedenen Einsätzen unter Regie der italienischen Küstenwache vor Sizilien gerettet worden. In Pozzallo befindet sich eines der als "Hotspot" bekannten Erstregistrierungszentren der EU.

Insgesamt erreichten zwischen 1. Jänner und 24. März insgesamt 14.493 Migranten über das Mittelmeer Italien, wie das Innenministerium in Rom bekannt gab. Das sind 43 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2015, allerdings weniger als im letzten Quartal 2015 als laut UNHCR-Angaben 21.771 Menschen kamen. Fachleute gehen davon aus, dass bei wärmerem Wetter wieder mehr Menschen den Weg über das Mittelmeer nach Süditalien antreten.

110.000 in Italien

Derzeit versorgt Italien nach Angaben des Innenministeriums fast 110.000 Flüchtlinge. Hatten 2014 insgesamt noch 170.000 das Mittelmeer überquert, sank diese Zahl 2015 - auch aufgrund der Verlagerung in Richtung Balkanroute - auf 153.842. Die Italienischen Behörden fürchten aber nicht nur eine erneute Zunahme der Ankünfte über das Mittelmeer; auch der Weg über die Adria zwischen Albanien und der süditalienischen Region Apulien gilt als mögliche Ausweichroute.

Gleichzeitig wollen Schlepper offensichtlich auf neuen Wegen versuchen, die Flüchtlinge von der Türkei direkt per Fischkuttern oder kleinen Handelsschiffen nach Italien zu bringen.

Sorge am Brenner

Auch weiter nördlich ist man angesichts einer möglichen neuen Flüchtlingsroute besorgt. Die Landesräte der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino haben in einem gemeinsamen Dokument die EU aufgefordert, sich für den Schutz des Schengenabkommens einzusetzen und Hotspots für die Registrierung von Flüchtlingen einzurichten. Sie drängten Brüssel dazu, sie bei der Bestimmung europäischer Strategien im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik einzubinden.

Dies sei aufgrund der Bedeutung der Brenner-Grenze dringend notwendig, hieß es im Dokument. Die interregionale Landtagskommission unter dem Vorsitz des Trentiner Landtagspräsidenten Bruno Dorigatti, die am Dienstag am Brenner im Rahmen eines informellen Treffens tagte, klagte über fehlende Solidarität seitens der EU-Mitglieder bei der Umverteilung der Flüchtlinge. Die Teilnehmer forderten eine gesamteuropäische Strategie zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Tirols Landeshauptmann Platter hat erst kürzlich Grenzkontrollen für den Brenner ab Mitte April angeregt (so das Bundesministerium die Zustimmung gibt). "Alle sollen wissen, dass es am Brenner kein Weiterkommen gibt", sagte Platter.

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