EU: Juncker warnt Orban vor "Scheidung"

Eine Debatte um die Todesstrafe hat "keinen Platz in Europa".

Drei brisante Themen, drei glasklare Antworten: "Wer nicht sieht, dass es in Griechenland eine humanitäre Krise gibt, der ist blind und taub"; Deutschland bekommt wegen der Ausländermaut ein Vertragsverletzungsverfahren, "wenn nötig vor dem Europäischen Gerichtshof"; und "falls Ungarn die Todesstrafe einführen wollen würde, wäre dies ein Scheidungsgrund".

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat in einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Montag-Ausgabe) die diplomatischen Verklausulierungen, die sein Amt oft erfordern, über Bord geworfen – und Klartext geredet.

Spontanes Poltern kann bei einem Politiker mit Junckers Erfahrung ausgeschlossen werden; vielmehr ist von bewussten Botschaften auszugehen – und zwar inhaltlich wie auch atmosphärisch.

Machtwort

Junckers Aussagen lassen sich so lesen: Es ist Zeit, die großen Themen anzupacken, anstatt – wie mit der deutschen Maut oder Orbans Gedanken zur Wiedereinführung der Todesstrafe – nationale Befindlichkeiten zwecks innenpolitischer Profilierung zu verhandeln. Und es ist – Stichwort: Griechenland – Zeit für eine Politik, die sich an der Realität, am Alltag der Menschen orientiert, anstatt sich in bürokratischen Details zu verheddern.

Und noch etwas klingt durch: Juncker ist kein Kommissionschef, der sich hinter den formalen Befugnissen seiner Behörde oder den fachlichen Zuständigkeiten seiner 27 Kommissare versteckt. Wenn er es für notwendig hält, dann spricht er ein Machtwort – im Vertrauen darauf, dass die Sache damit erst einmal erledigt ist.

Mitmischen

Juncker will auf Augenhöhe mit den Staats- und Regierungschefs verhandeln, nicht nur als ihr Befehlsempfänger unter ihnen vermitteln, das zeigt er immer wieder.

In den Schuldengesprächen mit Griechenland hält Juncker seit Monaten einen guten Draht zu Premier Alexis Tsipras aufrecht – parallel zu den offiziellen Verhandlungen, die seine zuständigen Kommissare führen.

Und als die Staatenlenkern unlängst zu einem Sondergipfel zu den Flüchtlingstragödien im Mittelmeer zusammenkamen, war es – so erzählen es Verhandler – Juncker, der darauf drängte, die Mittel für die Meeresmission nicht zu verdoppeln, sondern gleich zu verdreifachen. Wenige Wochen nach dem Sondergipfel legte Junckers Kommission wie versprochen ein Gesetz für Flüchtlingsquoten vor. Bei der Umsetzung zieren sich die Staaten – auch hier wird es Juncker wohl bald mit einem Machtwort versuchen.

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