Chancen für Absprung Faymanns zur EU sind intakt

Werner Faymann mit EU-Ratspräsident Donald Tusk
Ein Top-Job für Faymann ist abhängig davon, ob Schulz und Tusk in ihren Ämtern bleiben.

Dass Bundeskanzler Werner Faymann für den Job des EU-Ratspräsidenten im Gespräch ist und er als sozialdemokratischer Kandidat gehandelt wird, ist kein Geheimnis. Seit die Forderungen nach seiner Ablöse in Wien lauter werden, gewinnt ein Wechsel nach Brüssel an Brisanz.

Mehrere Gesprächspartner in EU-Hauptstädten sagen, dass er gute Chancen auf den Top-Job hat, wenn bestimmte Konstellationen eintreffen und die politische Farbenlehre an der EU-Spitze abgestimmt ist.

Mitte 2017 endet die erste Amtszeit des polnischen Konservativen Donald Tusk. Zuletzt häuften sich Hinweise, Tusk wolle eine zweite Periode anhängen. Da Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein Christdemokrat ist, im Jänner 2017 die zweite Funktionsperiode des sozialdemokratischen Parlamentspräsidenten Martin Schulz ausläuft, und er von einem Konservativen abgelöst werden dürfte, käme ein Roter als EU-Ratspräsident zum Zug. Dass nicht alle EU-Topjobs von Vertretern einer einzigen Partei besetzt werden, gilt von jeher als Konsens.

Chance

Ein mögliches Szenario: Wenn Schulz, wie vereinbart, von einem konservativen Abgeordneten abgelöst wird, kann laut Brüsseler Usancen Tusk gar nicht mehr verlängert werden. Ein Sozialdemokrat würde dann zum Zug kommen. Das wäre die Chance für Faymann.

Seit Jahren unterhält er als derzeit längstdienender sozialdemokratischer Regierungschef beste Kontakte zur Parteienfamilie, organisiert interne Debatten. Zwei hochrangige Termine stehen in den nächsten Tagen an: Am Sonntag kommen Spitzenvertreter in Stockholm zusammen, am 20. Mai auf Einladung von Premier Matteo Renzi in Rom. Zu dieser Sitzung werden auch Staatspräsident François Hollande und Parlamentspräsident Schulz anreisen.

Wie dem KURIER versichert wird, fliegt Faymann trotz des Krisenparteivorstandes am 9. Mai tags zuvor nach Stockholm – und eine Woche später dann nach Rom.

Ohne Merkel geht nichts

Bei der Entscheidung über den EU-Ratspräsidenten spielt auch Europas starke Frau, Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine wichtige Rolle. Ohne sie geht nichts. Seit Faymann sich von der Merkelschen Linie in der Flüchtlingspolitik abgewandt hat, ist die deutsche Bundeskanzlerin von ihrem Wiener Amtskollegen schwer enttäuscht, auch wenn Deutschland von der geschlossenen Balkanroute, die Österreich durchgesetzt hat, profitiert. In Berlin gehen politische Beobachter aber davon aus, dass Merkel Faymann nicht aktiv verhindern, ihn aber auch nicht aktiv unterstützen würde. Am Ende müssen alle Regierungschefs einem Ratspräsidenten zustimmen. Spätestens im Dezember wird es feststehen, ob es einen personellen Wechsel im Europäischen Rat gibt oder nicht – und wie die Karten für Faymann stehen.

Sollte Schulz eine dritte Funktionsperiode bekommen und Tusk bleibt, haben Europas Sozialdemokraten noch einen ehrenamtlichen Job in Brüssel zu vergeben, den des Parteivorsitzenden der SPE. Seit 2011 führt der bulgarische Ex-Premier, EU-Abgeordneter Sergei Stanischew, die Sozialdemokratische Partei Europas.

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