Maschine ersetzt Mensch, aber nicht die Idee

Der Arbeitsmarkt ändert sich radikal. Rein theoretisch hat Österreich gute Voraussetzungen, Spitze zu bleiben.
Martina Salomon

Martina Salomon

Der Arbeitsmarkt ändert sich radikal. Rein theoretisch hat Österreich gute Voraussetzungen, Spitze zu bleiben.

von Dr. Martina Salomon

über die Digitalisierung

Der Arbeitsmarkt wird "unbarmherziger". Wer kaum lesen und rechnen konnte, fand vor 30 Jahren trotzdem Arbeit – als Laufbursch, Portier, Fabriksarbeiterin. Heute ist eine moderne Produktionshalle meist überraschend menschenleer. Roboter haben die harte, schmutzige Arbeit übernommen – ein Fortschritt. Aber welche Jobs gibt es für eine Million Analphabeten in Österreich (laut OECD-Studie PIAAC)– und speziell für jene 15 Prozent der 15-/16-Jährigen, die das Bildungswesen verlassen, ohne ausreichend lesen und schreiben gelernt zu haben? Von 100 Bewerbern im Großraum Wien seien für sein Büro nur fünf verwendbar, meinte ein Anwalt im KURIER-Gespräch mit der Bildungsministerin. Was geschieht mit dem Rest – noch dazu in einer sich eintrübenden Wirtschaftslage?

Digitale Revolution

Nach der Automatisierung krempelt nun die Digitalisierung die Arbeitswelt um: Konsumenten, die im Internet nach dem billigsten Angebot suchen, brauchen viel weniger Geschäftslokale, viel weniger Personal. Bankgeschäfte, Flugbuchungen erledigt man am PC daheim. Der Hochfrequenzhandel via Computer lässt konventionelle Börsen-Händler alt aussehen. Und selbst computergenerierter Journalismus ist schon Realität. Der Mensch rationalisiert sich durch smarte Maschinen gerade selbst weg. Der zitierte Anwalt wird seine Briefe vielleicht bald automatisiert versenden.

Dieser radikale Wandel scheint in den Köpfen der Menschen noch nicht ganz angekommen zu sein. Und die Regierung denkt zwar in ihrer Klausur über Beschäftigungsimpulse nach, aber wirklich revolutionäre Ideen bot sie zumindest am ersten Tag noch nicht. Wobei man zur Ehrenrettung des Sozialministers sagen muss: Von Qualifizierungsoffensiven über Jugendcoaching bis Eingliederungsbeihilfen ist schon viel geschehen. Natürlich ist dem Ex-Gewerkschafter Rudolf Hundstorfer bewusst, dass die Arbeitnehmer in Zukunft flexibler, länger und mit einem dünneren Sicherheitsnetz arbeiten werden.

Auch in Zukunft wird es (hoffentlich) noch Jobs geben. Der Handel muss neue Nischen suchen. Wer nicht den billigsten Preis hat, muss Service und Erlebnis bieten. Bildungsschwache finden Arbeit in der Dienstleistung: Hausarbeit, Pflege, Lieferservice boomen.

Gegenseitiges Rasenmähen und Nagelfeilen allein bringt aber noch keinen Aufschwung. Wir können daher von Glück reden, dass Österreich (im Gegensatz etwa zu Großbritannien) ein Industrie-Standort geblieben ist. Viele heimische Unternehmen sind innovativ und in hochspezialisierten Bereichen Weltmarktführer – oft, ohne in ihrem Heimatland allzu bekannt zu sein. Etwa bei Küchenbeschlägen (Blum, Vorarlberg) oder Patronen für Airbags (Hirtenberger, Niederösterreich). Seit dem EU-Beitritt sind viele Firmen internationaler geworden. Bereits eine Million Arbeitnehmer arbeiten für heimische Unternehmen im Ausland. Schafft es die Regierung, sie im Land zu halten und auch genügend gute Fachkräfte auszubilden? Immerhin steht am Tag zwei der Regierungsklausur das Thema Bildung auf dem Programm. Denn eine Million Analphabeten können wir uns wirklich nicht mehr leisten.

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