Alle sind voller Antworten, niemand hat mehr Fragen.

von Guido Tartarotti

über das Rechthaben und das Wahrheitsbesitzen.

Der Schriftsteller Thomas Glavinic bekam einen sogenannten Shitstorm ab, weil er die Arroganz von Wahrheitsbesitzern in der Debatte um die Bundespräsidenten-Stichwahl kritisiert hatte. (Glavinic, das sei dazugesagt, wird es aushalten, der begabte Provokateur rüttelt mit großem Vergnügen am Shitstormbaum.)

Im KURIER-Interview präzisiert Glavinic seine Überlegungen: Er wendet sich gegen „moralische Ich-AGs“, gegen Leute, „die nicht nachdenken müssen, um zu wissen, was gut und was böse ist“. Glavinic plädiert für Respekt im Austausch der Standpunkte: Jeder solle sich fragen, „ob der andere nicht vielleicht auch ein bisschen recht haben könne“.

Eigentlich kann man das nicht missverstehen, dennoch wird Glavinic missverstanden werden. Es gibt viele Menschen, rechts wie links im Meinungsspektrum wohnhaft, die jeden Tag darauf warten, etwas missverstehen und geordnet in den Aggregatzustand des Beleidigtseins und der Aufregung übergehen zu dürfen. Das ist typisch für unsere Zeit: Alle sind voller Antworten, niemand hat mehr Fragen.

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