Griechenland: Varoufakis im Abseits

Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Die Stunde der Wahrheit kommt im kleinen Kreis

von Philipp Hacker-Walton

über das griechische Drama

Montagabend, Berlin: Kanzlerin Angela Merkel berät mit Frankreichs Präsident Fracois Hollande, Kommissionschef Jean-Claude Juncker, EZB-Boss Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde eine Lösung im Schuldenstreit mit Griechenland. Es wird ein "letztes Angebot" ausgearbeitet, das den Griechen vorgelegt wird.

Mittwochabend, Brüssel: Juncker empfängt den griechischen Premier Alexis Tsipras, Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem stößt dazu; bis nach Mitternacht wird über das Angebot der Geldgeber und ein Gegenoffert der Griechen gesprochen.

Drei Staatschefs und drei Vertreter der Institutionen sollen jetzt also binnen weniger Tage lösen, was 19 Finanzminister nicht zustande gebracht haben. Das mag teils nach improvisierter Last-Minute-Politik aussehen - ist aber tatsächlich nicht überraschend.

Zum einen haben die Staatschefs in der Krise immer am Ende mitgemischt, wenn es eng geworden ist. Nicht selten in Mini-Runden. Als etwa ein Hilfspaket für Zypern geschnürt wurde, beriet eine Runde von "Chefs" bis in die Nacht hinein - die versammelten Finanzminister saßen in einem Nebenraum, warteten stundenlang und wurden lediglich am Ende um ihre Zustimmung gebeten.

Zweitens versucht Tsipras seit er ins Amt gewählt wurde, eine Lösung auf höchster Ebene herbeizuführen: Bei jedem Gipfel will er zumindest am Rande mit Merkel sprechen; seit Monaten hält er zudem einen guten Draht zu Juncker aufrecht. Dieser ist für die Vermittlerrolle in diesem Fall prädestiniert: Als ehemaliger langjähriger Vorsitzender weiß er, wie es in der Eurogruppe abläuft; als Kommissionschef, der nicht direkt auf nationale Wähler oder Wahlen Rücksicht nehmen muss, kann er jetzt auch mehr auf die Griechen zugehen als manch anderer.

Drittens hat das Verlagern auf die Chef-Ebene noch einen, in diesem Fall vielleicht sogar entscheidenden Vorteil: Yanis Varoufakis spielt dabei keine zentrale Rolle. Der griechische Finanzminister hat in den Gesprächen mit seinen Euro-Amtskollegen wenig weitergebracht. Und, so berichten Verhandler, Varoufakis musste ohnehin bei jeder Verhandlung zuerst um Tsipras' Zustimmung in Athen fragen.

Ein Finanzminister erinnert sich an eine wichtige Sitzung mit Varoufakis: "Wir haben stundenlang verhandelt, das Klima war eigentlich ganz gut und wir hatten alle das Gefühl, dass wir - überraschenderweise - sehr gut weiterkommen." Am Ende habe Dijsselbloem Varoufakis noch einmal die drei wichtigen Punkte der Einigung vorgelesen und ihn jedes Mal gefragt, ob er dem nun zustimmen könne. "Varoufakis hat drei Mal Ja gesagt - und wir haben alle geglaubt, wir haben einen Deal. Dann haben die Griechen aber in Athen angerufen, um mit Tsipras Rücksprache zu halten - und auf einmal waren wir statt drei Mal Ja bei drei Mal Nein."

Eine Einigung ist zwar längst nicht garantiert; zumindest das Ziehen des Telefon-Jokers sollte mit Tsipras am Verhandlungstisch aber nicht mehr passieren.

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