Keine neuen ULFs: Auftrag für Bims neu ausgeschrieben

Keine neuen ULFs: Auftrag für Bims neu ausgeschrieben
Siemens und Bombardier rittern um den Bau von 120 bis 150 Niederflur-Straßenbahnen.

Die Wiener Linien erweitern ihre Flotte und setzen dabei - vorerst - nicht auf Altbewährtes. Der Auftrag für die Beschaffung von 120 bis 150 Niederflur-Straßenbahnen werde neu ausgeschrieben und somit nicht die Möglichkeit genutzt, eine Option bei Siemens für weitere ULFs zu ziehen. "Ziel ist, zu eruieren, welche Straßenbahn derzeit die beste am Markt ist", begründete ein Sprecher der Wiener Linien die Entscheidung der Geschäftsführung. Man wolle den Markt sondieren und schauen, welche Entwicklungen es in den letzten Jahren gegeben habe.

Dass Siemens und Konkurrent Bombardier um den Großauftrag rittern, ist bereits seit längerem bekannt. Germar Wacker, Chef der von Wien aus gesteuerten Straßenbahn-Sparte des Verkehrstechnikkonzerns Bombardier, forderte im Mai, das der Auftrag neu ausgeschrieben werden müsse. Bombardier bastelt gerade an einer Niederflur-Lösung für Wien, die der Stadt wesentlich billiger als der ULF kommen soll. Wie bereits im vergangenen Mai bekannt wurde, soll es laut einem internen Projektpapier allein bei den Wartungskosten zu Einsparungen in Höhe von mehr als 300 Mio. Euro kommen - durchgerechnet für 170 Langzüge und eine Laufzeit von 30 Jahren.

Über die Hintergründe für jetzige Kehrtwende will man sich bei den Wiener Linien nicht äußern. Neben den Anschaffungskosten dürften aber auch Wartungsprobleme bei den Siemens-Bims eine Rolle gespielt haben. Auf sie hatte erst im Vorjahr das Kontrollamt hingewiesen. Demnach waren zeitweise rund 25 Prozent der ULFs wegen Mängel nicht einsatzbereit. Auch bei der Garantie gab es Probleme.

Die Wiener Variante mit einer Einstiegshöhe von 20 Zentimetern (ULF: 19 Zentimeter) sieht auf den zahlreichen Visualisierungen dem Porsche-Design der Siemens-ULFs zum Verwechseln ähnlich. Das kürzere Modell misst knapp 34 Meter und umfasst 145 Steh- und 66 Sitzplätze. Die Langversion (45,5 Meter) fasst sogar 198 Steh- und 89 Sitzplätze. Zum Vergleich: Der Kurz-ULF bietet derzeit knapp 140 Passagieren, die längere Variante etwas mehr als 200 Personen Platz.

Kein Kommentar von Siemens

Wortkarg über die neue Entwicklung in punkto Ausschreibung zeigte man sich bei Siemens. „Das ist die Entscheidung der Wiener Linien. Das kommentieren wir nicht“, sagte ein Sprecher auf APA-Anfrage. Erfreut hingegen zeigte man sich bei Bombardier. Auf die Ausschreibung sei man vorbereitet, versicherte Geschäftsführer Germar Wacker: „Wir sind in den Startlöchern.“ Es würden sich alle 700 Mitarbeiter am Bombardier-Standort in Wien auf die Gelegenheit freuen, „an einem fairen Wettbewerb“ zur Beschaffung von modernen Straßenbahnen in ihrer Heimatstadt teilzunehmen.

Seit 1997

Die Niederflurstraßenbahnen ULF - die Abkürzung steht für "Ultra Low Floor" - fahren seit 1997 in Wien. Siemens hatte Mitte der 1990er-Jahre den Auftrag für die ersten 150 Züge erhalten, weil das Wiener Werk u.a. mit der weltweit niedrigsten Einstiegshöhe von nur 19 Zentimetern punkten konnte.

Einige Jahre später sicherte sich der Technologiekonzern den Folgeauftrag um 357 Mio. Euro. Diese umfasst 150 weitere Garnituren. Der Großteil davon wurde schon geliefert - der Rest folgt bis Jahresende 2015. Dazu gab es eine Option auf eine dritte, noch einmal 150 Bims umfassende Lieferung, die nun nicht gezogen wird.

Neue Bims ab 2017

Noch in diesem Jahr soll eine internationale Ausschreibung über die Beschaffung in die Wege geleitet werden. Die Lieferung der neuen Bims soll ab 2017 erfolgen, die ersten Züge dann ab Mitte 2017 unterwegs sein. Bis dahin würden noch "im gewohnten Ausmaß" ULFs geliefert werden, so der Sprecher.

Zu den wichtigsten Anforderungen in der Ausschreibung werden der ebene Einstieg und Barrierefreiheit, ein modernes Konzept zur Fahrgastinformation, flexibel gestaltbare Innenräume, neuester Stand der Technik, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit sowie Energieeffizienz zählen. Weiters seien optimale Arbeitsbedingungen für die Fahrer (zum Beispiel Ergonomie) wichtig.

Bombardier (Hauptsitz Montreal/Kanada) ist nach eigenen Angaben mit 6,9 Milliarden Euro Umsatz Weltmarktführer bei Schienenfahrzeugen. Zum Vergleich: Siemens rangiert mit etwa 5 Milliarden Euro – hinter zwei chinesischen Anbietern und dem französischen Transportriesen Alstom – auf Platz 5.Beide Konzerne haben das weltweite Kompetenzzentrum für Straßenbahnen – Siemens auch für U-Bahnen – in Wien. Bombardier beschäftigt im Wiener Werk 650 Mitarbeiter, für Siemens arbeiten im Werk Simmering (ehemals Simmering Graz Pauker/SGP) und in der Drehgestell-Fertigung in Graz mehr als 2000 Mitarbeiter.

Mit den österreichischen Verkehrsunternehmen sind die Erz-Konkurrenten unterschiedlich gut im Geschäft. Insgesamt hat aber Siemens wegen der Großaufträge für die ÖBB – rund 400 Taurus-Loks, railjet-Züge und neue Nahverkehrszüge (Desiro) die Nase vorne. Bombardier lieferte etwa die Regionalzüge Talent an die Bundesbahnen.

Bei den Straßenbahnen entwickelt und baut Bombardier in Wien/Donaustadt neben den U6-Garnituren für die Wiener Linien und den Zügen für die Badner Bahn Niederflur-Straßenbahnen für die ganze Welt. Derzeit laufen 70 Züge pro Jahr für Betreiber in Belgien, Manchester und Marseille ebenso gefertigt wie für die australische Gold Coast oder die Schweizer Stadt Basel vom Band. In Zürich rittert Bombardier-Straßenbahn-Chef Germar Wacker mit Siemens und Stadler um mehr als hundert Straßenbahnen in den Stadtfarben Blau/Weiß.

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