Straßenbahn: Endstation ULF?

Bombardier
Die Weltmarktführer Bombardier und Siemens rittern um Großauftrag in Wien.

Die sauberste Form der Beschaffung ist eine Ausschreibung.“ Germar Wacker, Chef der von Wien aus gesteuerten Straßenbahn-Sparte des Verkehrstechnikkonzerns Bombardier, will auf dem Gleisnetz der Wiener Linien stärker zum Zug kommen. Der Kauf von weiteren 150 bis 170 Niederflur-Straßenbahnen müsse daher, fordert er, neu ausgeschrieben werden.

Derzeit freilich ist noch Wackers schärfster Konkurrent Siemens am Zug. Der Technologie-Riese – dessen weltweites Straßenbahn-Zentrum ebenfalls Wien ist – hat seit 1997 bereits mehr als 250 von insgesamt 300 bestellten Garnituren der Marke ULF (Ultra Low Floor) geliefert. Und hat eine Option auf bis zu 170 weitere ULF-Garnituren, die ab 2016 geliefert werden könnten.Dabei geht es um Hunderte Millionen: Bei rund 3 Millionen pro Garnitur kostet die dritte ULF-Generation rund eine halbe Milliarde Euro.

Servicekosten

Locken will Wacker – der ein fix und fertiges Konzept auf Basis der weltweit eingesetzten Bim-Marke Flexity in der Schublade hat – die Wiener Linien nicht nur mit einem niedrigeren Kaufpreis: „Der Wettbewerb der Anbieter senkt natürlich die Anschaffungspreise. Aber wichtiger als der Kaufpreis sind die Service- und Betriebskosten über die gesamte Lebensdauer von etwa 30 Jahren.“

In diesem Punkt sieht sich Bombardier bestens gerüstet. Das Wiener Kontrollamt rügte vor gut einem Jahr das Service für die ULF-Garnituren als extrem teuer, auch die Verfügbarkeit der Züge sei drastisch einschränkt. So stand 2009 im Durchschnitt ständig jeder vierte der insgesamt 200 Züge in der Werkstatt. Bombardier dagegen schafft laut eigenen Angaben eine Verfügbarkeitsrate von 95 Prozent. Und ein neues Service-Konzept soll die Kosten für die Bombardier-Züge gegenüber dem ULF um 90 Cent je Bim und Betriebskilometer senken. Über 30 Jahre Lebensdauer bringt das für alle 150 bis 170 Garnituren rein rechnerisch Einsparungen von rund 320 Millionen Euro.

Die Einsparungen durch das Servicekonzept – in dessen Rahmen Bombardier Mitarbeiter des Kunden einsetzt – überzeugte offenbar auch die Verkehrsbetriebe der schweizerischen Stadt Basel. Diese orderten 60 Straßenbahnen, die zum Teil im Wiener Werk gebaut werden. Jürg Baumgartner, Chef der Basler Verkehrsbetriebe: „Über den Lebenszyklus sparen wir eine Million Franken pro Garnitur.“ In Euro immerhin noch rund 800.000 pro Zug. Derzeit bietet Bombardier gegen Siemens und den Schweizer Platzhirschen Stadler auch in Zürich an.

Siemens hat mit dem Vorstoß des Konkurrenten naturgemäß wenig Freude, gibt sich aber gelassen. „Der ULF ist ein erprobtes Fahrzeug“, preist Siemens-Österreich-Sprecher Harald Stockbauer „seine“ Bim, „wir brauchen den Wettbewerb nicht zu scheuen.“ Weniger offiziell warnt Siemens vor einer Ausschreibung: Dadurch würden Billiganbieter etwa aus China, zum Zug kommen, was sich aber negativ auf die Qualität auswirke.

Bei den Wiener Linien ist man offiziell gleich offen für eine Ausschreibung und die ULF-Option, intern hat aber der ULF die Nase vorn: Ein dritter Zug-Typ neben ULF und den alten Hochflur-Garnituren sei, tönt es aus dem Unternehmen, „eher kontraproduktiv“. Die Entscheidung, ob ausgeschrieben wird, soll bis zum Jahresende fallen.

Bombardier (Hauptsitz Montreal/Kanada) ist nach eigenen Angaben mit 6,9 Milliarden Euro Umsatz Weltmarktführer bei Schienenfahrzeugen. Zum Vergleich: Siemens rangiert mit etwa 5 Milliarden Euro – hinter zwei chinesischen Anbietern und dem französischen Transportriesen Alstom – auf Platz 5.Beide Konzerne haben das weltweite Kompetenzzentrum für StraßenbahnenSiemens auch für U-Bahnen – in Wien. Bombardier beschäftigt im Wiener Werk 650 Mitarbeiter, für Siemens arbeiten im Werk Simmering (ehemals Simmering Graz Pauker/SGP) und in der Drehgestell-Fertigung in Graz mehr als 2000 Mitarbeiter.

Mit den österreichischen Verkehrsunternehmen sind die Erz-Konkurrenten unterschiedlich gut im Geschäft. Insgesamt hat aber Siemens wegen der Großaufträge für die ÖBB – rund 400 Taurus-Loks, railjet-Züge und neue Nahverkehrszüge (Desiro) die Nase vorne. Bombardier lieferte etwa die Regionalzüge Talent an die Bundesbahnen.

Bei den Straßenbahnen entwickelt und baut Bombardier in Wien/Donaustadt neben den U6-Garnituren für die Wiener Linien und den Zügen für die Badner Bahn Niederflur-Straßenbahnen für die ganze Welt. Derzeit laufen 70 Züge pro Jahr für Betreiber in Belgien, Manchester und Marseille ebenso gefertigt wie für die australische Gold Coast oder die Schweizer Stadt Basel vom Band. In Zürich rittert Bombardier-Straßenbahn-Chef Germar Wacker mit Siemens und Stadler um mehr als hundert Straßenbahnen in den Stadtfarben Blau/Weiß.

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