Wien will ein Viertel weniger Autos

Weniger Autos, dafür mehr Öffibenutzer, Fußgänger und Radfahrer: So will die Wiener Stadtregierung in den nächsten Jahren die hohe Lebensqualität erhalten
Wien wächst, der Autoverkehr in der Stadt soll dennoch weniger werden.

Wien wächst rasant und stellt damit die Stadtregierung vor große Herausforderungen. „Allein im vergangen Jahr zogen 30.000 Menschen nach Wien“, sagt Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne). Gemeinsam mit Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Renate Brauner (beide SP) präsentierte sie am Mittwoch die Eckdaten des Stadtentwicklungsplans (STEP) für das Jahr 2025. Wichtigstes Thema: der Verkehr.

Derzeit werden 27 Prozent aller Wege in Wien mit dem Auto zurückgelegt. 39 Prozent fahren mit den Öffis, 28 Prozent gehen zu Fuß. Der Radverkehr liegt allen Initiativen der letzten Jahre zum Trotz noch immer bei etwas mehr als 6 Prozent.

Der Autoverkehr soll weiter sinken. „Ziel ist, dass 80 Prozent der Wege mit den Öffis, dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt werden“, sagt Vassilakou. Bis 2025 soll der Anteil der Autofahrten daher nur noch 20 Prozent betragen, um ein Viertel weniger als derzeit. Bei dann knapp zwei Millionen Einwohnern bedeutet das, dass grob gerechnet 140.000 Menschen in Wien täglich auf das Auto verzichten müssten. Wie das gelingen soll?

Überlastete Straßen

Zum einen kann der Autoverkehr ohnehin kaum mehr wachsen: „Die Straßen sind jetzt schon so ausgelastet, dass sie kaum mehr Autos aufnehmen können“, sagt Verkehrsexperte Werner Rosinak. Allein dadurch werde der Anteil der Autos am Gesamtverkehr sinken. „Die anvisierten 20 Prozent sind durchaus realistisch“, sagt Rosinak. Diejenigen Wiener, die neu hinzukommen, müssen also von vornherein Alternativen finden, etwa die öffentlichen Verkehrsmittel.

Schon jetzt nutzen täglich 2,5 Millionen Fahrgäste die Wiener Linien. Nur ein Prozent mehr wären 25.000 Fahrgäste zusätzlich. Daher wird jetzt bei der U5 Tempo gemacht. Die neue Linie soll Hernals mit dem Wienerberg verbinden. Demnächst stehen Gespräche mit dem Bund zur Finanzierung an.

Günstiger würden der Stadt da mehr Fußgänger und Radfahrer kommen. Deren Anteil soll auf 30 bzw. 10 Prozent steigen. Beim Radfahren hinkt die Infrastruktur den ambitionierten Zielen hinterher. „Daher sollen künftig mehr Straßen für das Radfahren gegen die Einbahn geöffnet werden, aber auch neue Radstraßen und Radwege geschaffen werden“, sagt Vassilakou. Dort, wo Rad- und Fußwege nebeneinander liegen und es immer wieder Konflikte gibt, soll das Rad auf die Fahrbahn wechseln. Das wiederum bedeutet aber weniger Platz für die Autofahrer.

Ob wirklich so viele Menschen auf das Rad umsteigen? Vassilakou: „Der Öffi-Anteil ist von 2010 bis 2012 von 36 auf 39 Prozent gestiegen. Warum soll das nicht auch beim Rad funktionieren?“

Wiens rot-grüne Stadtregierung lernt gerade dazu. Nach den Prügeln für die Mariahilfer Straße und die Parkpickerl-Erweiterung ist gerade Schongang angesagt. Bei der Präsentation der neuen Strategien für Wien bis 2025 beschränkten sich Bürgermeister Michael Häupl und seine Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou auf Bewährtes. Wien wird also weiter wachsen und soll dabei eine möglichst lebenswerte Wohlfühl-Stadt bleiben.

So weit nichts Neues.

Nur ein Punkt der Strategie hat Sprengkraft. Wien will innerhalb eines Jahrzehnts den Autoanteil deutlich reduzieren – und zugleich mehr Öffi-Fahrer, Wohnstraßen, Fußgänger und Radfahrer. Konkreter wird man da nicht.

Mit gutem Grund. Denn vor den nächsten Wiener Wahlen will Bürgermeister Häupl keine neue Debatte über Pickerlzonen oder konfliktträchtige Fuzo-Projekte. Die Zeit der politisch riskanten Experimente von Rot-Grün im Bereich Verkehr ist damit zu Ende. Natürlich nur bis zur nächsten Legislaturperiode.

Wie schwer es ist, Erweiterungsmaßnahmen und Anrainer-Interessen unter einen Hut zu bringen, zeigt das aktuelle Beispiel Oberlaa. Dort wurde vor Kurzem im Zuge des U1-Südausbaus die Fontanastraße gesperrt. Wodurch auf einen Schlag rund 500 Gratis-Parkplätze für Anrainer sowie für Besucher und Mitarbeiter des Gesundheitszentrums verloren gingen. Anrainer und Unternehmer im Nahbereich um die Therme Oberlaa sind empört.

Die einen beklagen, dass infolge der Sperre nun das Siedlungsgebiet komplett zugeparkt werde. Die anderen befürchten Umsatzrückgänge, weil sich Kunden bereits über den Wegfall der kostenlosen Parkplätze vor der Therme echauffierten. Um sich Gehör zu verschaffen, gründeten die Kritiker eine parteiübergreifende Bürgerinitiative.

Dass in Oberlaa bis 2017 die neue U1-Endstation entstehen soll, halten die verärgerten Anrainer angesichts des Parkplatzmangels für unsinnig. „Die Leute im Rathaus wollen offenbar, dass die Besucher von Therme und Kurpark nicht mit den Autos kommen, sondern öffentlich“, wird hier gemutmaßt. „Wohl auch, damit die U1 gerechtfertigt wird“, meint VP-Bezirksrätin Magdalena Kelarides.

In erster Linie vermisst man bei der Bürgerinitiative ein Verkehrskonzept für die Zeit, wenn die U-Bahn fertig ist: „Wo kommen P-&-R-Anlagen hin? Wo zusätzliche Wohnbauten?“, wollen viele von der Stadt wissen.

Antworten gibt eine Sprecherin der Wiener Linien: Bis 2017 seien zwar P-&-R-Anlagen zwischen Kuhdrift und Laaerbergstraße sowie bei der Station Neulaa geplant, aktuelle Parkplatz-Alternativen gebe es aber keine.

Ein Fahrgast-Potenzial von 20.000 Menschen spreche für den U1-Ausbau. Dass die U-Bahn das Auto überflüssig machen soll, wird nicht bestritten.

Kommentare