Sexparty-Zeuge lebt in Angst vor Mitgliedern des "Team P."

Der Kindergarten in der Romanogasse gilt als Hauptquartier des "Team P."
Mitarbeiter von Abdullah P. soll Mitwisser bedroht haben. Die Polizei weiß nicht, wo er ist.

Mutmaßlicher Betrug in Millionenhöhe, Urkundenfälschung, Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Anbau von Cannabis im großen Stil werden Kindergarten-Betreiber Abdullah P. und sechs weiteren Beschuldigten bereits vorgeworfen (mehr dazu weiter unten). Und jetzt scheinen auch noch Zeugen eingeschüchtert zu werden. Wegen gefährlicher Drohung wurde gegen einen Mitarbeiter des Kindergartens in der Brigittenauer Romanogasse vorige Woche Anzeige erstattet.

Der 27-Jährige soll seinen Ex-Freund bedroht haben. Jenen Mann, dem er selbst über Sex- und Drogenpartys in besagtem Kindergarten berichtet hatte – und der mit diesem Wissen zur Polizei ging. Mitte März sorgte der Student damit unbeabsichtigt für Schlagzeilen.

Medien outeten Zeugen

Mehrere Medien zitierten allerdings nicht bloß aus den Polizeiprotokollen, sondern lieferten auch noch genügend Angaben zur Person des Zeugen, um ihn für Eingeweihte identifizierbar zu machen. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, berichtet der Student – nennen wir ihn Klaus S. – dem KURIER.
Am Tag, nachdem berichtet worden war, dass sein Ex-Partner und dessen Chef in der Romanogasse regelmäßig Sexpartys gefeiert und dabei Drogen konsumiert haben sollen, bekam S. die ersten Drohungen aufs Handy.

„Ich hoffe, dass dir nichts zustößt“, schrieb der 27-jährige Ex-Freund, „Pass gut auf dich auf“ und: „Schauen wir einmal, was dir dieser Mann (Abdullah P.) alles tun wird“. S.’ Familie beschimpfte er als Hunde. (Dem KURIER liegen sämtliche Textnachrichten vor.)

Die Wortwahl mag vergleichsweise dezent klingen, doch laut Klaus S. habe der 27-Jährige einen Hang zur Gewalt. Voriges Jahr hatte S. ihn wegen Vergewaltigung angezeigt. Die Ermittlungen wurden aber eingestellt, weil es weder einen Beweis noch ein Geständnis gab. Jetzt lebt S. in ständiger Angst, wegen psychischer Probleme ist er in ärztlicher Behandlung.

Wo ist der Verdächtige?

Bei der Polizei erstattete er umgehend Anzeige wegen gefährlicher Drohung. Die Exekutive wollte Abdullah P.’s Mitarbeiter daraufhin ein Betretungsverbot erteilen. Doch gelang es bis dato nicht, ihn zu erreichen. „Die Beschuldigteneinvernahme konnte noch nicht durchgeführt werden“, bestätigt ein Polizeisprecher. Der Verdächtige wurde also auf freiem Fuß angezeigt. S. befürchtet, dass er untergetaucht sein könnte. Da er einen bulgarischen Pass habe, fiele ihm das leicht.

Sexparty-Zeuge lebt in Angst vor Mitgliedern des "Team P."
Abdullah Polat, Obmann und Gründer von Erbiz (Erwachsenen Bildungs- und Integrationszentrum), Abdullah Polat Kindergarten Fördergeldmissbrauch Wien
Bei der Männerberatung, wo S. psychologisch betreut wird, teilt man dessen Besorgnis. Auch im Bezug auf Abdullah P. – der nach wie vor nicht in Untersuchungshaft sitzt. Warum das so ist, kann man in der Betreuungseinrichtung nicht nachvollziehen. Es bestehe doch Flucht- und Verdunkelungsgefahr, meint man dort.

Keine U-Haft-Gründe

Bei der Staatsanwaltschaft beurteilt man das allerdings anders. „Es gibt aus unserer Sicht keine Haftgründe“, erklärt deren Sprecher Thomas Vecsey. Fluchtgefahr liege keine vor, weil Abdullah P. sich punkto Vernehmung bis dato kooperativ gezeigt habe. „Er ist greifbar. Wenn wir ihn brauchen, kommt er.“ Und auch die Verdunkelungsgefahr sieht man nicht: „Alles, was es zu sichern gab, wurde bei Hausdurchsuchungen gesichert“, sagt Vecsey. Zudem sei keine weitere Tatbegehung zu befürchten, „weil gegen P. ja bereits ermittelt wird“. Wo sich der Beschuldigte also aufhalte, sei seine Sache – „er darf sich frei bewegen“.

Die Ermittlungen im Wiener Fördergeldskandal verlaufen schleppend. Im Mai 2015 durch eine Anzeige der MA10 ins Rollen gebracht, kommen immer neue Aspekte zum Vorschein.

Aktuell werden die Gegenstände, die im Zuge einer Razzia im Dezember im Hauptquartier in der Brigittenauer Romanogasse sichergestellt wurden, ausgewertet. Außerdem prüft ein Wirtschaftssachverständiger, ob Geld ins Ausland geflossen ist.

Derweil sind alle sieben Verdächtigen des so genannten „Team P.“ – benannt nach dem Hauptverdächtigen Abdullah P. – auf freiem Fuß. Gegen sie wird u. a. wegen Betrugs und Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Die Mitarbeiter eines Vereins für Erwachsenenbildung sollen ein Netzwerk an Kindergärten in ganz Wien aufgebaut und durch Beratungsverträge mit den Obleuten an Fördergelder und Anstoßfinanzierungen der MA10 (Wiener Kindergärten) gekommen sein. Gearbeitet wurde teilweise mit Scheinanmeldungen von Kindern, aber auch Scheinrechnungen für die Einrichtung der Betreuungsplätze.

Im Jänner wurde der Betrugsfall um einen Aspekt reicher: Drogen. In einer Lagerhalle des Vereins in Simmering wurden 970 Cannabis-Pflanzen entdeckt.

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