Rot-Grün: Auf der Suche nach dem Glück

Rot-Grün: Auf der Suche nach dem Glück
Rot-Grün in Wien hat vieles umgesetzt. Doch der Lack vergangener Tage ist vorerst ab.

Der Honeymoon ist vorüber“, sagte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) dieser Tage auf die Frage, wie es um die Zusammenarbeit innerhalb der rot-grünen Stadtregierung bestellt ist. „Die Mühen des Alltags sind erreicht, aber da funktioniert es sehr gut.“ Diese und ähnliche Antworten gibt Häupl schon lange auf diese und ähnliche Fragen. Sehr lange.

Nach zweieinhalb Jahren Rot-Grün in Wien ist klar: Die Anfangseuphorie, die viele Mandatare mit der ersten rot-grünen Regierung auf Landesebene verbunden haben mögen, scheint jetzt zur Halbzeit verflogen. Zumindest vorerst.

Rot-Grün: Auf der Suche nach dem Glück
„Dabei kann man der Stadtregierung vieles nachsagen, nur eines bestimmt nicht: Dass sie untätig wäre“, sagt Politexperte Thomas Hofer. „Viele der Themen, die sich Rot-Grün vor zweieinhalb Jahren vorgenommen hat, wurden bereits umgesetzt.“ Die Mindestsicherung für Kinder wurde gleich zu Beginn um 50 Prozent angehoben. 2011 rang sich Rot-Grün dann zu einem Verbot des kleinen Glücksspiels durch. Die Öffi-Jahreskarte kostet nur noch 365 Euro (statt 449 Euro), und ein neues – in seiner Wirksamkeit allerdings höchst umstrittenes – Prostitutionsgesetz wurde längst verabschiedet.

Doch dann kam die Parkpickerl-Ausweitung, die sich für die Stadtregierung mehr und mehr zum echten Stolperstein entwickelte. „Bei der SPÖ ist die Ernüchterung seither spürbar“, sagt Hofer. „Während die Grünen mit dem Thema bei ihren Wählern sogar punkten, dürfte die SPÖ Stimmen verlieren.“ Die Gebührenerhöhungen bei Wasser, Müll und Co. werden den Trend eher noch verstärkt haben. Auch die Volksbefragung – ein Polit-Ereignis wie es in Wien nur mit einer Wahl vergleichbar ist – brachte nicht den erhofften Befreiungsschlag.

Stolperstein

Konnte Häupl nach der letzten Befragung 2010 noch den Hausmeister wieder einführen und Nacht-U-Bahn und Hundeführschein verkünden, bleibt nach der Befragung 2013 alles beim Alten. Und das ist mit der Fortführung der bisherigen Pickerl-Politik wenig verlockend. Und ein weiterer Stolperstein liegt mit der Ausarbeitung der Wiener Wahlrechtsreform erst noch bevor.

"Rot-Grün bedeutet nicht automatisch Chaos-Politik"

Rot-Grün: Auf der Suche nach dem Glück
„Doch alles in allem ist nach diesen zweieinhalb Jahren klar: Rot-Grün bedeutet nicht automatisch Chaos-Politik“, sagt Hofer. „Das Modell in Wien zeigt vor, dass Rot-Grün eine weitere mögliche Regierungsform ist.“

Doch reichen Solarkraftwerke und grüne Pickerl-Politik aus, um jenes Versprechen einzulösen, das vor allem Bürgermeister Häupl und seine grüne Stellvertreterin Maria Vassilakou selbst immer wieder gegeben haben: Dass Rot-Grün in Wien auch als Alternative zu Rot-Schwarz oder Schwarz-Blau im Bund wahrgenommen wird? „Sachpolitische Themen abzuarbeiten wird hierfür allein nicht genügen“, glaubt Hofer. „Die Vision, die eine echte Alternative zum Bund darstellen könnte, wurde bislang von Rot-Grün kaum skizziert. Das von vielen erhoffte Feuerwerk neuer Politik blieb weitestgehend aus.“

KURIER: Frau Vizebürgermeisterin, wie zufrieden sind Sie in der rot-grünen Halbzeit?

Maria Vassilakou: Sehr zufrieden. Wir haben bis jetzt mehr umgesetzt als andere Regierungen in einer ganzen Legislaturperiode. Denken Sie an das 365-Euro-Öffiticket oder an die Reformen im Gesundheits- und Sozialbereich.

Bürgermeister Häupl sagt, der rot-grüne Honeymoon sei vorüber. Sehen Sie das ähnlich?

Wir sind nicht bei Desperate Housewives. Politik ist keine Soap Opera. SPÖ und Grüne sind zwei unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Programmen. Das ist gut so. Darüber hinaus haben wir ein absolut gut funktionierendes Arbeitsverhältnis. Was ich aber feststelle: Der Umgangston der Mitbewerber wird rauer. Diese Nervosität kann ich nachvollziehen. Rot-Grün hat es geschafft, auch über Wien hinaus Themen zu setzen. Ganz Österreich redet nun über den Ausbau des Öffi-Netzes. Und das Thema Mieten, wo Wien seit jeher Vorreiter ist, beschäftigt den Bund. Das ist gut, weil Rot-Schwarz das Mietrecht reformieren muss.

Laut Umfragen verliert die SP in Wien, die Grünen legen zu. Fürchten Sie, dass Ihr Koalitionspartner ungemütlich wird?

Das ist Kaffeesudleserei. Was zählt, sind Wahlergebnisse. Und wenn ich etwa nach Kärnten blicke, bin ich zuversichtlich, dass die Wähler zunehmend Gefallen am rot-grünen Modell finden. Wir wollen für eine alternatives Polit-Modell abseits des Parteien-Hickhacks stehen. Die Leute honorieren das.

KURIER: Herr Bürgermeister, haben Sie sich beim Start der Regierung die Zusammenarbeit mit den Grünen leichter oder schwerer vorgestellt?

Michael Häupl: Sie ist leichter als erwartet. Denn der Lernprozess der Grünen verlief rascher, als ich mir das vorgestellt habe. Der erhebliche Teil von ihnen ist schnell in der Regierung angekommen. Unser Regierungspartner ist inhaltlich durchaus anspruchsvoll, aber das ist völlig in Ordnung. Es herrscht zwischen uns ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis.

Wo liegen die größten Knackpunkte in der Zusammenarbeit?

Beim Thema Verkehr gibt es Auffassungsunterschiede. Vor allem, was den Umgang mit den Autofahrern betrifft. Wir haben zwar dasselbe Ziel, manchmal aber verschiedene Lösungsansätze. Meinungsunterschiede mit den Grünen gibt es auch bei der geplanten Wahlrechtsreform. Eines ist aber klar: Die nächste Wiener Gemeinderatswahl wird auf alle Fälle mit einem neuen Wahlrecht über die Bühne gehen.

Ärger gab es in den vergangenen beiden Jahren vor allem rund um die Parkpickerl-Ausweitung. Sind Rot-Grün hier rückblickend betrachtet Fehler passiert?

Zugegeben: Unsere Kommunikationsstrategie war sicher nicht die tollste. Man hätte das anders gestalten sollen. Die Erfahrung aus früheren Jahren und anderen Bezirken zeigt aber ganz klar, dass überall dort, wo das Parkpickerl eingeführt wurde, die Bewohner nach geraumer Zeit damit zufrieden sind.

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