Häupl sagt der EU den Kampf an

Michael Häupl bekämpft mit allen politischen Mitteln die EU-Wettbewerbsregeln zum sozialen Wohnbau.
Der Wiener Bürgermeister will beim sozialen Wohnbau keine Einmischung des EU-Kommissars.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl steigt gegen einen Spanier auf die Barrikaden. Joaquin Almunia ist EU-Kommissar und oberster Hüter in Sachen Wettbewerb. Dessen Richtlinien zum geförderten Wohnbau sehen Vergaben nur an sozial benachteiligte Schichten vor. In Holland und Schweden hat dies bereits dazu geführt, dass Besserverdiener aus dem sozialen Wohnbau ausgeschlossen wurden. Hält der EU-Kommissar an seinem Kurs fest, könnte er das Modell des sozialen Wohnbaus in Wien gehörig ins Wanken bringen.

Bei der heute beginnenden, zweitägigen Klubklausur der SPÖ-Wien in Rust spielen daher Europa-Themen und damit auch die Zukunft des sozialen Wohnbaus in der Stadt eine zentrale Rolle. Der KURIER sprach mit Michael Häupl, warum er jetzt gegen diese EU-Regelung und den Wettbewerbskommissar sowohl im In- als auch im Ausland mit allen politischen Mitteln mobil macht.

KURIER: Sie gelten als glühender EU-Befürworter. Zugleich mobilisieren Sie gegen Pläne der EU-Politik, den geförderten Wohnbau auf sozial Schwache zu reduzieren. Wie passt das zusammen?

Michael Häupl: Ich war zwölf Jahre in Spitzenfunktionen im europäischen Städtebund tätig. Ich weiß sehr gut, was EU bedeutet. Da gibt es Entscheidungen, mit denen man nicht einverstanden sein kann. Die gibt es auch in Österreich. Und trotzdem liebe ich dieses Land.

Jetzt gibt es die Diskussion, kann es den sozialen Wohnbau ohne Einflussnahme durch die EU geben?
Es muss ihn geben. Allerdings ist Herr Almunia der Auffassung, dass die Einhaltung der europäischen Wettbewerbsregeln auch im sozialen Wohnbau durchzusetzen sind.

Wie stark ist der Kommissar?
Das werden wir am 25. Mai sehen.

Ist damit die EU-Wahl für sie auch eine Richtungsentscheidung über den Kurs des sozialen Wohnbaus in Europa?
Vom Grundsatz her ja. Wenn Herr Almunia das nicht gewollt hätte, dann hätte er diesen Passus nicht hineingenommen.

In der Sache meint er es ernst. In einem Brief hat Ihnen der Kommissar mitgeteilt, dass er die Einschränkung des sozialen Wohnbaus auf Benachteiligte nicht zurücknehmen wird.
Ja, und ich will dass er diesen einen Satz in den Wettbewerbsregeln zurücknimmt.

Stellt sich die Frage, ob in Wien ein Bedrohungsszenario in absehbarer Zeit erkennbar ist. Sprich, haben Sie Sorge, dass auch in Österreich eine Klage wie in Holland, Schweden oder Frankreich droht?

Das ist durchaus möglich. Auch wenn es für den sozialen Wohnbau in Wien kein akutes Bedrohungsszenario gibt, werde ich hier nicht nachgeben. Denn die Urteile von Holland bis Schweden gelten nicht nur dort sondern für die ganze EU.

Warum wollen Sie als Bürgermeister, dass auch der Mittelstand zu einer geförderten Wohnung kommt?
Weil ich in Wien keine Segregation (Trennung sozialer Schichten, Anm.) über den Wohnbau bekommen möchte. Wien ist seit dem ersten Gemeindebau mit diesem Kurs gut gefahren, dass es im Wohnbau die soziale Durchmischung gibt. Da bin ich der Stadtgeschichte extrem treu.

Wien will sich also von der EU nichts dreinreden lassen?
Das ist absolut richtig. Und das entspricht auch dem Subsidiaritätsprinzip, für das ich gekämpft habe. Das heißt, die EU darf in nationalen Angelegenheiten nur dann tätig werden, wenn Österreich diese nicht lösen kann.

Ihnen geht es nicht nur um den Wohnbau. Sie wollen bei den Finanzschulden auch Ausnahmen. Wird das Ihre nächste Aktion?
Das hat eine andere Qualität. Da geht es um inhaltliche Vorschläge und nicht ums Abwehren. Ich bekenne mich dazu, dass öffentliche Haushalte nicht grenzenlos Schulden machen. Niemand will Verhältnisse wie in Griechenland. Wir können aber unsere Finanzen und unsere Wirtschaft nur durch Wachstum in Ordnung halten. Daher halte ich es für wichtig, dass man werteschaffende Investitionen, wie den Bau von Schulen oder Spitälern, aus Maastricht und dem Stabilitätspakt herausnimmt.

Das heißt, die SPÖ-Klausur in Rust wird ein Signal in diese Richtung aussenden?
Natürlich, weil ich halte das für vernünftig.

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Seit Jahren wird man im Wiener Rathaus nicht müde, die berühmte Mercer-Studie zu zitieren: Demnach bietet die Bundeshauptstadt "weltweit die höchste Lebensqualität". Doch es gibt auch einige Problembereiche, wie eine neue Untersuchung zeigt, die von der Stadt in Kooperation mit der Uni Wien durchgeführt wurde: Immer mehr Wiener bemängeln die Wohnsituation, den öffentlichen Verkehr oder auch das Schulangebot für Kinder. Hier will der Bürgermeister investieren - vor allem über PPP-Modelle. Doch das birgt Gefahren.

Insgesamt wurden 8.400 Menschen befragt, 68 Prozent von ihnen leben "sehr gerne" in der Hauptstadt, 29 Prozent immerhin noch "gerne". "Das sind fantastische Ergebnisse, eine gewaltige Geschichte", freute sich Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bei der Präsentation der Studie vor Journalisten. Im Vergleich zur letzten Befragung im Jahr 2008 habe man sich sogar noch um ein Prozent steigern können. Erhoben wurde aber nicht nur die Gesamtlebensqualität, auch die Zufriedenheit in einzelnen Aspekten wie Arbeitsmarkt, Freizeit- und Kulturangebot, Häufigkeit der sozialen Kontakte oder Gesundheitseinrichtungen wurde abgefragt.

Teure Wohnungen

Beinahe in allen Lebensbereichen seien die Ergebnisse gleich oder besser, berichtete Häupl. Probleme gebe es allerdings etwa am Wohnungsmarkt, wo nur noch 55 Prozent die Note sehr gut oder gut vergaben. 2008 waren es noch 67 Prozent. "Sicher ist es heute nicht mehr so einfach, eine Wohnung zu finden, die man sich leisten kann, wie vor zehn Jahren", gab der Bürgermeister zu. Diese Kapazitätsengpässe führt er vor allem auf die Bevölkerungsentwicklung zurück. "Das sind Herausforderungen in einer wachsenden Stadt", betonte er.

"Raunzen" über Öffis

Ähnliche Probleme gibt es in den Kategorien Schulangebot oder öffentlicher Verkehr, den immerhin 15 Prozent der Befragten als mittelmäßig zufrieden bis gar nicht zufrieden bewerteten. 2008 waren es nur zwölf Prozent Unzufriedene. Die Erklärung für diesen Rückgang? "Es ist wohl darauf zurückzuführen, dass einige Linien an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Aber man muss schon betonen, dass die Unzufriedenheit nur minimal gestiegen ist", sagt Häupls Sprecher Martin Ritzmaier auf Nachfrage des KURIER. Bei den Fahrgastzahlen sehe man einen eindeutigen positiven Trend - auch wenn die Bilanz der Wiener Linien im Vorjahr leicht negativ ausgefallen ist. Man werde nun Maßnahmen setzen, um die Öffis noch attraktiver zu machen, hieß es aus dem Rathaus. Vor allem die tangentialen Verbindungen im Süden sowie Norden und Nordosten sollen ausgebaut werden.

Häupl sagt der EU den Kampf an
Auf Grund dringender Baumaßnahmen in der Station Josefstädter Straße der U6 wird seit 18.7.2011 die Ersatzlinie E vom Westbahnhof bis Nussdorferstraße geführt.

Viel schlechter sieht es mit dem Autoverkehr in der Stadt aus. Gleich ein Dreiviertel aller Teilnehmer ist mit der Situation unglücklich. Auch die erstmals abgefragte Kinderfreundlichkeit der Stadt beurteilten nur 57 Prozent der Wiener positiv.

Im europäischen Vergleich steht Wien in einem Bericht der Europäischen Kommission zur Lebensqualität in Städten auf Platz neun, an der Spitze findet sich Zürich (Schweiz), dann folgen Reykjavik (Island) und Kopenhagen (Dänemark). Die letzten drei Plätze gehen ausschließlich an griechische Städte: Athen ist vor Athen-Umgebung und Heraklion das absolute Schlusslicht.

Investitionen

Um die Lebensqualität in Wien zu erhalten, plant Häupl nun Investitionen nicht nur in Öffis und sozialen Wohnbau, sondern auch in Schulen und Lehrer. Problematisch dabei ist allerdings die Finanzierung. "Wir müssen alle Kreativität aufbringen, um die Finanzierung solcher Investitionen zu gewährleisten", so der Stadtchef. Denn Wien darf derzeit aufgrund des derzeit geltenden Stabilitätspakts keine neuen Schulden machen. Deshalb plant Häupl vor allem PPP-Modelle, also sogenannte Public-Private-Partnerships, bei denen öffentliche Hand und private Institutionen wie Banken oder Bauunternehmen zusammenarbeiten.

"Das ist nicht meine Lieblingsvariante, weil sie teuer ist. Mit unserer guten Bonität würden wir weitaus günstigeres Geld bekommen", meinte der Bürgermeister. Deshalb möchte er wertschaffende Investitionen - wie etwa in Schulen - zukünftig aus dem Stabilitätspakt ausnehmen. Bis sich in dieser Hinsicht in der Europäischen Union jedoch etwas bewegt, blieben der Stadt für Großvorhaben wie etwa U-Bahnbau oder Spitalsreform kaum Alternativen zu PPP-Modellen. Häupl dazu: "Die Banken freuen sich auf uns."

ÖVP-Landesparteichef Manfred Juraczka reagiert mit Kritik auf die neue Studie: "Das Eingeständnis der SPÖ Wien, dass es in den Bereichen Wohnen, Öffis oder Kinderfreundlichkeit Defizite gibt, kommt ziemlich spät, die Schlussfolgerungen sind vor allem definitiv die falschen. Mehr Schulden anzuhäufen hat noch keinen Wirtschaftsstandort attraktiver gemacht", hieß es in einer Aussendung.

Link zur Studie

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