"Manche muss ich zurückschicken"

Postbeamtin AsylverfahrenSusanne W. freut sich sehr über das Bild, das ein iranischer Flüchtling für sie gemalt und mit dem Titel „Schicksalsweg“ versehen hat.
Vom Postschalter zur Flüchtlingsreferentin: Schicksale prägen den Berufsalltag einer 50-Jährigen.

Briefträger entscheiden über Asylanträge." Das Angebot des Innenministeriums, überzählige Postbedienstete ins Bundesasylamt zu übernehmen, war ein Aufreger des Jahres 2013. Es gab innenpolitische Kontroversen über angeblich "mangelndes Wissen und mangelnde Lernfähigkeit" der Postler. Die 50-jährige Wienerin Susanne W., eine der damals Geschmähten, gab nun erstmals dem KURIER einen Einblick in ihren neuen, verantwortungsvollen Dienst-Alltag im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Sie entscheidet nun, wer abgeschoben wird und wer bleiben darf.

Schicksale

Aufmerksam wurde Susanne W. auf ihrem Postamt in Wien-Leopoldstadt durch die Jobbörse, in der ein Sachbearbeiter im Innenministerium ausgeschrieben war. Gefordert: Recherchen, Entscheidungen über Schicksale, höchste Gewissenhaftigkeit und Matura.

"Manche muss ich zurückschicken"
ABD0014_20141222 - EICHGRABEN - ÖSTERREICH: ZU APA0096 VOM 22.12.2014 - Eine Asylwerber am Freitag, 19. Dezember 2014, in einer Asylpension in Eichgraben. 24 Flüchtlinge sind seit Anfang Dezember in Eichgraben untergebracht - und sie werden in der idyllischen Wienerwaldgemeinde, wohl außergewöhnlich, intensiv umsorgt und integriert. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Nur zwei von 40 Bewerbern ihrer Gruppe schafften die Aufnahmetests. Dann folgten eine Reihe von Kursen und eine Einschulung bei der Außenstelle des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in Traiskirchen.

Und dann kam der große Tag: "Ich bin sogar zur Frau Amtsdirektor erklärt worden." Das Vernehmungszimmer im Flüchtlingslager macht heute einen freundlicheren Eindruck als früher. Denn Susanne W. durfte die Zimmerpflanzen von ihrem aufgelassenen Postamt mitbringen. Zu den Asylwerbern ist sie genauso freundlich wie früher zu den Postkunden. Aber in ihren Entscheidungen ist sie konsequent.

Jeder Fall beginnt mit einem Blick in den Erstaufnahmeakt. Da stellen sich bereits die ersten Fragen. Wie ist die Lebenssituation eines Menschenrechtsanwaltes im Iran? Wie sicher oder unsicher kann ein Schulbesuch in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny sein? Erste Antworten geben darauf die amtsinternen Länderinformationen. Die werden von einem Beirat erstellt und ständig aktualisiert.

Susanne W. recherchiert auch im Internet und erstellt für jeden Fall eine Vernehmungsstrategie. Die Befragungen verlangen psychologisches Geschick. Susanne W.: "Dabei darf man nicht aggressiv sein. Man muss die Leute reden lassen."

Lügengeschichten

Aber wie reagiert man, wenn man offensichtlich angelogen wird? Etwa bei jenem Asylwerber, der mit bewegten Worten die Ermordung seiner Kinder schilderte. Zur gleichen Zeit saßen die angeblich Ermordeten bei einer anderen Aufnahmestelle und erzählen eine andere Version. Susanne W.: "Ich bin keinem böse, wenn er mir eine Lügengeschichte auftischt. Er hat ja trotzdem irgendeinen Grund gehabt, wegzugehen. Und er hat ja seine Ersparnisse einem Schlepper geopfert. Nur nutzt das nichts. Wenn er keinen Asylgrund hat, muss ich ihn zurückschicken. Auch wenn er mir leidtut."

Manchmal tüftelt sie wochenlang über komplizierten Fällen. Etwa den eines jungen Ehepaares, das nicht nachweisen kann, dass es auch tatsächlich verheiratet ist. "Die junge Frau erfüllt alle Auflagen, er nicht – soll ich sie da lassen und ihn heimschicken?"

Dankbarkeit

Es gab aber noch nie ein Problem mit Antragstellern, auch nicht bei Abweisungen. Dafür aber manchmal Bekundungen von Dankbarkeit. So öffnete sich eines Tages die Türe, und verlegen lächelnd stand da ein Mann aus dem Iran mit einem Bild, das er gemalt hatte. Es hat den Titel "Schicksalsweg". Das Verfahren des Mannes war längst abgeschlossen. Deshalb lag auch keine Unvereinbarkeit vor, Susanne W. durfte das Bild annehmen. "Ich hab’ mich richtig gefreut."

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ist hoch erfreut über die Motivation und die hohe Kompetenz, die frühere Postler ins Bundesasylamt eingebracht haben. Dadurch sei es auch gelungen, die durchschnittliche Verfahrensdauer zu verringern.

Dringenden Handlungsbedarf sieht die Innenministerin aber wegen der laufenden Massenauswanderung von Wirtschaftsflüchtlingen aus dem Kosovo. Mikl-Leitner zum KURIER: „Wenn die Versorgung von Kriegsflüchtlingen zusehends durch Auswanderer aus sicheren Herkunftsstaaten blockiert wird, dann erreicht das Verständnis in der Bevölkerung und auch bei mir sein Ende.“ Sie will eine klare Grenze zwischen Auswanderern aus sicheren Staaten und echten Kriegsflüchtlingen.

Mikl-Leitner unterstützt das kosovarischen Innenministerium bei einer Informationsoffensive. Denn die Kosovaren werden von Schleppern nach Österreich gelockt mit dem Argument, dass sie hier gut versorgt würden.

Plakatkampagne

Es wurden Plakatsujets entworfen, wo die Menschen erfahren, dass es kein Asyl in Österreich gibt. Der Titel: „Schlepper lügen, um an IHR Geld zu kommen.“ Die Kosovaren erfahren, dass bei illegaler Einreise Geldstrafen drohen, anschließende Abschiebung in den Kosovo und ein Einreiseverbot in die EU. Mikl-Leitner fordert die rasche Einführung der 10-Tages-Schnellverfahren bei sicheren Herkunftsstaaten und Groß-Rückführungen. Und schließlich müsse Europa dem Kosovo helfen, den Menschen wirtschaftliche Perspektiven in ihrer Heimat zu geben. Da wurde schon in den vergangenen Jahren einiges unternommen. Das müsse weiter intensiviert werden.

Kommentare