Islamgesetz: Verunsicherung und Wut bei Österreichs Muslimen

Tuncay Altinbas beim Freitagsgebet in der Moschee.
Ab 1. März brauchen Moscheevereine neue Statuten. In der Praxis bringt das teilweise Probleme mit sich.

Tuncay Altinbas (44) hat in letzter Zeit viel Erklärungsbedarf. Als Obmann eines ATIB-Moscheevereines in Wien-Meidling sieht er sich mit der Verunsicherung von rund 300 Mitgliedern konfrontiert. Die wollen wissen, ob der Verein, der ihnen nicht nur zum Beten, sondern vor allem auch als sozialer und kultureller Treffpunkt dient, nun geschlossen wird. Viele sind zornig, fühlen sich diskriminiert. Grund ist das neue Islamgesetz, das mit heutigem Tag in Kraft tritt.

Ab diesem Datum müssen sich Vereine, die religiöse Lehren verbreiten, sogenannten Kultusgemeinden oder anerkannten Religionsgesellschaften, wie der Islamischen oder der Alevitischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ bzw. ALEVI), untergeordnet haben. Andernfalls werden sie vom Innenministerium aufgelöst. Bundesweit betrifft das mehr als 400 Vereine. Bereits im Vorjahr erwirkten die türkisch-islamische Union ATIB und die Islamische Föderation eine Prüfung des Islamgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof.

Kein ausländisches Geld

Neu ist auch, dass der laufende Betrieb eines religiösen Vereins nicht mehr aus dem Ausland finanziert werden darf. Das schließt die Beschäftigung von Imamen mit ein. Wie berichtet, sind davon in erster Linie die 65 Vorbeter betroffen, die im Auftrag der türkischen Religionsbehörde für ATIB tätig sind. Ihre Visa werden nicht mehr verlängert, die ersten Imame haben Österreich bereits verlassen.

Für die Mitglieder des Meidlinger Moscheevereins ist das unverständlich, erzählt Herr Altinbas. Bisher habe der Gesetzgeber doch gewusst, woher die Imame kamen, was sie studiert haben und wie lange sie bleiben. Mit Inkrafttreten des Islamgesetzes sei die Zukunft des Vereins dagegen ungewiss.

Wer das Vorbeten übernehmen soll, wenn der Imam – ein studierter türkischer Beamter – im September kein neues Visum bekommt, weiß man noch nicht. Und auch nicht, ob der Verein ohne Moschee überhaupt überleben kann. Wie die 7000 Euro für Miete und Erhaltung ohne Mitgliedsbeiträge aufzubringen sein werden. Und ob die Jugendlichen, dann statt in Vereinsobhut in irgendwelchen Wettcafés ihre Zeit verbringen.

Das Motiv des Gesetzgebers ist Altinbas unklar. "Was bringt es denn, einen Verein aufzulösen, wenn er seine Statuten nicht ändert?", fragt er. "Dann treffen sich die Leute eben in Hinterhofmoscheen. Da wird die Kontrolle noch schwieriger und es besteht die Gefahr steigender Radikalität." Die ATIB-Imame würden dem entgegenwirken. "Bei uns gab es noch nie radikale Tendenzen. Im Gegensatz zu manchen autonomen Moscheen in Wien."

Seitens des Kultusamtes, das das Islamgesetz formuliert hat, kann man die Entrüstung nicht ganz nachvollziehen. Die Vereine könnten ihre Imame ja weiter beschäftigen, heißt es da. Sie müssen sie bloß selbst bezahlen.

Zudem sei ein Imam kein Priester, der einer Seelsorgertätigkeit nachkomme, sondern ein Vorbeter. Das Gebet leiten könne bald jemand.

"Das Gesetz schießt über das Ziel hinaus."

Jurist Metin Akyürek versteht das Verbot der Auslandsfinanzierung gar als eine Lex ATIB. Seien deren Imame doch die einzigen aus dem Ausland finanzierten Vorbeter in Österreich. "Das Gesetz schießt über das Ziel hinaus. Es verbietet die Auslandsfinanzierung auch dann, wenn – wie bei uns – die finanzielle Unabhängigkeit eines Vereins mit inländischen Mitteln gesichert ist."

Andere Verbände könnten das Verbot leicht umgehen, "über eine Stiftung oder durch eine große Einmalzahlung aus dem Ausland auf ein österreichisches Konto". Das sei eben keine Umgehung, kontert man im Büro von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Sei dann doch die Kontrolle der Gelder im Inland gegeben.

Keinen Mehrwert sieht Akyürek in der Gründung von Kultusgemeinden. Vereins- und Sicherheitspolizeigesetz würden ausreichen, um Vereine zu kontrollieren, meint der Anwalt. Der Gesetzgeber sieht das freilich anders. Kultusgemeinden seien vergleichbar mit Pfarren. So ist ATIB etwa nicht mehr nur Dachverband, sondern nun auch Kultusgemeinde. Und als solche haftet man für die 65 Mitgliedsmoscheen. Bei der IGGiÖ meldeten sich bereits mehr als 200 Vereine an. Die Mehrheit sei gut auf die Statutenänderung vorbereitet, sagt Anwalt Ümit Vural.

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