Braunbär nach Attacke abgetaucht

Braunbär nach Attacke abgetaucht
Keine Spuren, aber auch keine Zweifel am Angriff auf der Alm – Lungauer bleiben gelassen.

Thomatal im Lungau. Exakt 339 Einwohner zählt dieser Ort. Er ist Freitagmittag wie leergefegt, nur ein paar Kinder tollen vor der Volksschule herum. Gleich dahinter türmt sich der Schwarzenberg auf, wo das historische Ereignis passiert ist. Erstmals in diesem Jahrhundert hat ein Braunbär in Österreich einen Menschen attackiert - der KURIER berichtete. Das Opfer, ein 71-Jähriger Landwirt und Jäger, ist mit einer Platzwunde, Verletzungen am Kiefer und dem Schrecken davongekommen.

"Da oben gibt’s nur Schwarzbeeren", sagt der kleine David. Man glaubt die Geschichte nicht. "Vielleicht will man uns einen Bären aufbinden. Ich denke nicht, dass ein Bär einen Menschen angreift, ohne provoziert zu werden", betont Peter Jung.

Braunbär nach Attacke abgetaucht
Ein Bär im Thomatal/ Lungau verletzt Bauern auf seiner Alm mit der Pranke, Foto: Neumayr/ Probst, 26.09.2014. Dr. Georg Rauer (Bärenexperte).
Doch nach einem mehrstündigen Lokalaugenschein durch Bärenanwalt Georg Rauer gemeinsam mit dem betroffenen Bauern steht für Agrar-Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) fest: "Es bestehen laut unseren Experten keine Zweifel an der Aussage des Betroffenen und seinen schlüssigen Schilderungen. Der Landwirt ist auch selbst Jäger und hat sich in der Situation richtig verhalten und somit Schlimmeres verhindert." Das bestätigte auch Rauer. "Das Verhalten des Bären schätze ich aus der Erfahrung heraus in dieser besonderen Situation als verhaltensüblich ein", sagte der Bären-Experte.

Der Bauer wollte sich rückwärts gehend vom Bären entfernen und kam dabei zu Sturz. "Dadurch wurde die Neugier des Wildtieres geweckt und der Bär überzeugte sich, ob ihm durch den Landwirt keine Gefahr droht. " Nachdem der 71-Jährige sich – wie es in so einer Situation richtig ist – nicht mehr bewegte, habe sich der Bär abgewendet und sei weitergegangen, sagt Rauer.

Der Gemeinde Thomatal ist in den nächsten Tagen jedenfalls die Aufmerksamkeit sicher. Es gibt einen Kindergarten, ein Gemeinschaftshaus, eine Freiwillige Feuerwehr und ein Gasthaus, das aber nur am Wochenende geöffnet hat. Und es gibt vor allem viel Natur. Die Menschen hier leben im Einklang mit dieser. "Ich bin auch überrascht, dass sich zu uns ein Bär gesellt. Aber er wird uns nichts tun, das ist doch ganz natürlich, dass einmal ein Wildtier auftaucht", heißt Waltraud Gröbl den Bären willkommen. Und Ricky Moser fügt hinzu: "Wir haben hier rundherum viele Wälder, leben damit. Wer den richtigen Umgang mit Wildtieren lernt, braucht einen Bären nicht zu fürchten."

Kein Grund zur Sorge

Spuren konnten am Freitag übrigens keine von dem Tier gefunden werden. Rinder hatten den Boden der Alm bereits derart zertrampelt, dass es für Rauer nichts mehr zu entdecken gab. Bürgermeister Valentin König versucht die Causa, die sein verschlafenes Nest plötzlich prominent machte, ebenfalls herunterzuspielen. "Der Bär ist sicher längst über alle Berge. Angst muss niemand haben, denn so ein Tier sucht die Natur und nicht die Zivilisation", lächelt er. Dass die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg eine Hotline ( +43 (0) 6474/6541) für besorgte Bürger eingerichtet hat, weiß er gar nicht. "Wir sind nicht besorgt." Und damit spricht er aus, was alle Bürger am Fuße des Schwarzenbergs denken.

Früher waren sie in den Alpen weit verbreitet. Heute verursachen ihre Gastspiele in Österreich stets große Aufregung. Wölfe und Bären haben heuer für so viele Schlagzeilen wie schon lange nicht mehr gesorgt. Und das, obwohl Menschen im Normalfall nicht zum Beuteschema der Tiere gehören, sie Begegnungen sogar tunlichst vermeiden. Meist genügt ihre pure Anwesenheit, um in der Bevölkerung für Verunsicherung zu sorgen.

2014 scheint ein Comeback-Jahr für die großen Beutegreifer zu sein. In Vorarlberg geht der zuständige Wildbiologe Hubert Schatz in der Zwischenzeit von bis zu drei Wölfen aus, die durchs Ländle streifen könnten. Zuletzt dürften eines der Tiere Schafe im Bregenzerwald gerissen haben. Auch am Arlberg fielen dem Räuber heuer bereits einige Nutztiere zum Opfer. Im Grenzgebiet zwischen Salzburg und Oberösterreich hat heuer ebenfalls ein Wolf mehrere Schafe gerissen.

In Tirol war indes ein Braunbär als Grenzgänger unterwegs. Die Besuche von Tieren aus dem Trentino sind aber inzwischen beinahe so etwas wie Normalität. In Kärnten sind laut Christian Pichler vom WWF längst Bären heimisch. "Es dürften fünf bis acht Tiere sein." Von den Meldungen über Sichtungen und Risse darf man sich jedoch nicht täuschen lassen. "Es gibt in Österreich viel zu wenig Tiere für stabile Populationen", erklärt Pichler. Das gilt für Wolf und Bär genauso wie für den dritten großen Beutegreifer der Alpen: den Luchs.

In Kärnten ist heuer der vermutlich letzte Luchs des Bundeslandes verschwunden. Österreichweit dürfte es weniger als zehn ausgewachsene Exemplare der Wildkatzen geben. Und sie leben versprengt über mehrere Regionen: im Mühl- und im Waldviertel, sowie in den Kalkalpen Oberösterreichs. Zuletzt gab es Meldungen über Nachwuchs.

Im Bärenratgeber des Landes Tirol wird folgendes Verhalten empfohlen:

Halten Sie sich an die offiziellen Wanderwege. Wenn Sie sich unsicher fühlen, machen Sie sich durch Reden oder Singen bemerkbar.

Wenn Sie einen Bären sehen, tun Sie alles, um ruhig zu bleiben. Bleiben Sie stehen und machen Sie den Bären durch lautes Reden und Bewegen der Arme auf sich aufmerksam. Rennen Sie nicht weg, versuchen Sie aber auch nicht, sich ihm zu nähern oder ihn zu füttern. Versuchen Sie nicht, den Bären mit drohenden Gesten zu verscheuchen. Bewerfen Sie den Bären nicht mit Gegenständen!

Verzichten Sie unbedingt auf den Bärenschnappschuss!

Nicht in Panik verfallen, wenn sich der Bär aufrichtet – das ist keine Drohgebärde. Bären sind neugierig und richten sich auf, um die Lage zu erkunden. Auch hier gilt: Bleiben Sie stehen und machen Sie durch ruhiges Sprechen auf sich aufmerksam.Und, auch wenn’s schwer fällt – verfallen Sie auch dann nicht in Panik, wenn der Bär angreift. Legen Sie sich flach auf den Bauch, die Hände im Nacken. Der Bär wird Sie beschnuppern (nur keine Panik, keine Panik ...) und feststellen, dass Sie keine Gefahr für ihn darstellen. Warten Sie, bis sich der Bär weit genug entfernt hat.

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