Wieder Störangriff auf Flugsicherung

Wieder Störangriff auf Flugsicherung
Zum zweiten Mal verschwanden Flieger vom Radar / Europäische Behörden untersuchen.

Jetzt ist Feuer am Dach: Nachdem am vergangenen Donnerstag die Radarsysteme der Flugsicherung in Teilen Mitteleuropas von einem bisher unbekannten Störsender lahmgelegt wurden – der KURIER berichtete – verschwanden am Dienstag schon wieder Flieger von den Bildschirmen der Fluglotsen. Geriet beim ersten Vorfall eine NATO-Übung in Verdacht, der Verursacher zu sein, soll zum Zeitpunkt des zweiten Vorfalls keine NATO-Übung stattgefunden haben. Die europäische Luftverkehrskontrolle Eurocontrol und die europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) haben Untersuchungen eingeleitet.

Beim ersten Blackout in der Vorwoche verschwanden ab 14 Uhr zunehmend Flugzeuge von den Radarschirmen der Flugverkehrskontrollzentralen in Wien, Bratislava, Karlsruhe und Prag, obwohl die Flugzeuge weiter in der Luft waren. Bisher Unbekannte hatten offenbar die Transponder der Flieger gestört, die den Bodenstationen Identität und Flugdaten übermitteln. Das kann dramatische Folgen haben. Denn pro Tag durchqueren alleine den österreichischen Luftraum bis zu 4000 Maschinen. Zeitgleich befinden sich meist etwa 50 Flieger im österreichischen Luftraum.

Notprogramm

Dass es zu keinem Crash kam, ist einem gut durchdachten Notprogramm der Fluglotsen zu verdanken. Die Austro Control stockte sofort das diensthabende Personal auf. Es wurden zusätzliche Flugräume geschaffen, um die Sicherheitsabstände der Flugzeuge zu vergrößern. Die Piloten gaben ihre Positionen per Sprechfunk durch und wurden von den Fluglotsen auf Kurs gehalten. Die Störung betraf nur die zivilen Systeme. Die militärischen Radar – auch das des Bundesheeres – blieben intakt.
Nachdem vier Luftverkehrszentralen gleichzeitig betroffen waren, musste der Auslöser wohl von außen kommen. Ein Verdächtiger war rasch ausgemacht. In Ungarn übte die NATO die elektronische Kampfführung gegen Transponder von Flugzeugen. Also lag die Vermutung nahe, dass ein übereifriger Elektronik-Krieger das Störsignal nicht nur gegen ein Übungs-Zielobjekt gerichtet hatte, sondern damit auch noch irrtümlich halb Europa bestrahlte.

Am Dienstag folgte dann ein zweites Blackout. Zwischen 13.30 und 15 Uhr verschwanden plötzlich wieder Flieger von den Bildschirmen. Betroffen waren diesmal die Flugsicherungen in Wien, München, Karlsruhe und Prag.

Lagezentrum

Es wurde so wie beim ersten Zwischenfall das Nationale Lageführungszentrum in Üdem in Deutschland kontaktiert. Dieses Lageführungszentrum hatte zwar beim ersten Fall als mögliche Ursache die NATO-Übung für elektronische Kampfführung in Ungarn bestätigt. Doch dieses Mal winkten die Experten ab. Die Übung in Ungarn war beendet. Und eine aktuelle laufende Übung in Süditalien sei technisch nicht in der Lage, Radaranlagen bis Norddeutschland zu stören.

Jetzt ist Feuer am Dach: Wenn es nicht die NATO war, wer ist es dann? In Geheimdienstkreisen wird über zwei Möglichkeiten spekuliert: Eine so großräumige Störung könne nur per Satellit erfolgen. Darüber verfügen nur die USA, Russland, China und Indien. Welche Interessen sollten sie haben, eine derartige Verunsicherung zu erzeugten? Oder gelang es terroristischen Hackern, in den bodengestützten Datenverkehr der Luftsicherung einzudringen?

Austro Control-Sprecher Markus Pohanka bestätigt auch den zweiten Vorfall. Diesmal sei es nicht zu so vielen Ausfällen wie vor einer Woche gekommen. Es seien Flugzeuge in großer Höhe betroffen gewesen. Pohanka versucht jedenfalls zu beruhigen: Es hätte keine Gefahrensituationen gegeben. Die Zwischenfälle hätten vielmehr gezeigt, dass die Fluglotsen auch bei Systemausfällen in der Lage seien, den Luftraum sicher zu verwalten.

Nach dem Ausfall der zivilen Flugsicherungssysteme vergangenen Donnerstag herrscht nun große Aufregung. Verschwörungstheoretiker vermuten als Ursache einen elektronischen Anschlag der Amerikaner. Und bei den Behörden versucht man zu kalmieren.

Wie der KURIER berichtete, verschwanden Donnerstag ab 14 Uhr die Flugzeuge von den Bildschirmen der Austro Control. Manche tauchten wieder auf, um abermals zu verschwinden. Offenbar waren reihenweise die Transponder der Jets ausgefallen. Jene Datensender, die der Austro Control Flughöhe, Kurs und Geschwindigkeit übermitteln. Das bedeutete eine brenzlige Situation für die Fluglotsen. Denn sie haben einen reibungslosen Ablauf von etwa 4000 Überflügen über Österreich zu gewährleisten.

Handbetrieb

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Die Austro Control schaltete auf Handbetrieb um. Es wurden zusätzliche Fluglotsen eingesetzt und weitere Lufträume geöffnet sowie die Sicherheitsabstände vergrößert. Die Positionen der Flieger wurden per Sprechfunk abgefragt. So konnte der Systemausfall ohne Kollision überstanden werden.

Gleichzeitig betroffen waren auch die Flugsicherungszentralen in Karlsruhe, Prag und Bratislava.

Der KURIER konnte in Erfahrung bringen, dass just zu dieser Zeit in Ungarn eine NATO-Übung für elektronische Kampfführung (EloKa) stattfand. Übungsziel war es, mit Störsendern die Transponder von Flugzeugen zu blockieren. Dabei dürfte ein Fehler passiert sein, und das Störsignal verbreitete sich über halb Europa.

Den Verdacht, dass ein Betriebsunfall bei der NATO die Ursache gewesen sei, teilt auch Austro Control Sprecher Markus Pohanka. Gegenüber der APA erklärte er: "Ursache für den Ausfall könnte eine NATO-Übung in Ungarn gewesen sein." Ansonsten versucht der Austro Control-Sprecher zu kalmieren. Der Ausfall habe nur 25 Minuten gedauert. Nach Informationen, die dem KURIER vorliegen, dauerte er in Österreich bis 17 Uhr und in den Nachbarländern bis 19.30 Uhr.

Die NATO gibt in solchen Fällen üblicherweise keine Stellungnahme ab. Wohl aber löste die Meldung verschiedene Verschwörungstheorien aus. So vermutete etwa ein KURIER-Poster, dass die Amerikaner das Radar störten, um illegal ein Flugzeug durch Europa zu bringen. Das ist aber keine schlüssige Theorie. Denn in diesem Falle hätten sie das Radarsystem des Bundesheeres stören müssen. Denn das Heer mit seinem aktiven System "Goldhaube" sieht im Gegensatz zur Austro Control auch jene Flugzeuge, die keinen Transponder eingeschaltet haben. Oberst Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums, hält dazu fest, dass das militärische Radar die ganze Zeit störungsfrei weitergearbeitet habe.

Spionageflieger

Ein ähnlicher Vorfall wird aus den USA berichtet. Dort war am 30. April der Flugplan eines US-amerikanischen Spionageflugzeugs U-2 vom Computer der Luftverkehrskontrolle Los Angeles falsch interpretiert worden . Die U-2 flog zwar in extremer Höhe. Doch der Computer ordnete sie in normaler Flughöhe ein. Dadurch wurden mehr als 200 Flüge verzögert oder mussten überhaupt gestrichen werden. Weitere Dutzend wurden auf kleinere Flughäfen verlegt.

Dieser Zwischenfall hat zwar eine andere Ursache als die Vorfälle vom Donnerstag, aber die Wirkung war die gleiche. Auch die US-Fluglotsen stellten auf "Handbetrieb" um. Sie mussten zu ihren Telefonen und Funkgeräten greifen, und die aktuellen Flugpläne und Positionen einzeln abfragen.

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