Zeltlager bereits halb voll, Erweiterung denkbar

Mikl-Leitner auf Besuch im Linzer Zeltlager. Die Unterkünfte bieten jeweils acht Personen Platz.
Krisenmanager Peter Webinger über "Realitätsverweigerung" und die Notlösung Flüchtlingszelt.

In der Nacht auf Samstag sind 224 Menschen aus den Krisenherden der Welt nach Österreich geflüchtet, an Spitzentagen waren es in dieser Woche mehr als 300. Zahlen, die von den Ländern kaum zu bewältigen sind. Als "Notlösung" ließ das Innenministerium am Donnerstag und am Freitag an drei Standorten jeweils zwölf Zelte errichten. Am Samstag waren sie etwa zur Hälfte belegt – auf den Polizeisportplätzen in Linz und Salzburg mit 36 bzw. 30 Flüchtlingen, in Thalham (OÖ) mit 40. Wie lange man sie brauchen wird, sei ungewiss, denn der Zustrom werde noch stärker werden, sagt Peter Webinger, der vom Innenministerium eingesetzte Krisenmanager.

KURIER: Wie muss man sich den Aufenthalt in so einem Zeltlager vorstellen?

Zeltlager bereits halb voll, Erweiterung denkbar
Peter Webinger Innenministerium Krisenmanager Asyl
Peter Webinger:Es sind standardisierte Zelte, wie sie von der UNHCR auf der ganzen Welt verwendet werden. Pro Zelt schlafen acht Personen auf Feldbetten – das sind faktisch Männer, die alleine gereist sind. Familien versuchen wir sofort in Quartiere der Grundversorgung zu bringen. Eine von uns beauftragte Firma kümmert sich um die Mahlzeiten und um ein Freizeitangebot. Dort werden auch die ersten Schritte im Asylverfahren gesetzt.

Hilfsorganisationen werfen dem Ministerium vor, das sei "menschenunwürdig" und ein "Armutszeugnis" für Österreich.

Wer das behauptet, betreibt Realitätsverweigerung auf hohem Niveau. Der ist nicht an der Sache interessiert, sondern spielt für die Galerie. Es geht in erster Linie darum, Obdachlosigkeit zu verhindern. Darum, dass Menschen, die Schutz vor Verfolgung suchen, bei uns nicht auf der Straße stehen müssen. Das ist unser humanitärer Anspruch, unsere humanitäre Tradition in Österreich, und darauf sind wir stolz.

Halten Sie diese Lösung für vertretbar?

In Zeiten von besonderen Herausforderungen braucht es besondere Lösung. Jeder, der eine bessere hat, ist herzlich eingeladen. Nur dagegen zu sein ist keine Lösung.

Warum nutzt man nicht die Kasernen?

Uns sind einige Kasernen angeboten worden, die eine lange Vorlaufzeit bräuchten, weil sie erst adaptiert werden müssten. Nicht jede Kaserne ist geeignet.

War dieser "explosionsartige Anstieg", wie ihn Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nennt, in irgendeiner Form vorhersehbar?

Wir haben vor einem Jahr schon erkannt, dass die Zahlen steigen werden. 2013 sind 40.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer gekommen, 2014 waren es 170.000. Jetzt hat sich zusätzlich der Zustrom über das östliche Mittelmeer und den Westbalkan verstärkt. Wir haben die Bundesquartiere verdoppelt. Die Länder waren auch tüchtig, sie haben ihre Quartiere um ein Drittel erhöht.

Haben die Länder ihr Möglichstes getan, um Quartiere zu organisieren oder braucht es einen Turbo?Ob man da in den Superlativ gehen kann, kann ich nicht beurteilen. Es war bei den Verhandlungen jedenfalls ein konstruktiver Geist zu spüren. Ich sehe das Bewusstsein für die Verantwortung sehr deutlich.

Die Länder haben beim Asylgipfel am Freitag mehr als 1000 neue Plätze angeboten. Reicht das?

Wir haben derzeit täglich rund 300 Anträge, da wird dieses Kontingent schnell voll sein. Die Suche muss intensiv weitergehen. Wir gehen nicht zur Tagesordnung über. Die Zelte bleiben nur solange wie unbedingt nötig.

Wird es nötig sein, die Zeltlager zu erweitern?

Wie viele Plätze wir brauchen, hängt immer vom Tagesverlauf ab. Es ist nicht unsere präferierte Option, aber in Zeiten wie diesen müssen wir uns das offenhalten.

Mehr zum Besuch von Johanna Mikl-Leitner im Zeltlager Linz lesen Sie hier.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat am Samstag die Unterbringung von Flüchtlingen in Zeltlagern verteidigt. Vor einem Besuch der Zeltstädte in Linz und Thalham warf Mikl-Leitner ihren Kritikern vor, nur Sprüche zu klopfen, aber keine Quartiere zu schaffen. "Wir erledigen hier die vertraglich festgeschriebenen Aufgaben der Bundesländer. Wir helfen aus", betonte Mikl-Leitner. "Würden diese Zelte nicht stehen, würden diese Menschen auf der Straße stehen." Sobald die Bundesländer die Menschen wieder selbstständig vor Obdachlosigkeit schützen können, "sind die Zelte sofort wieder weg".

Mikl-Leitner wies Behauptungen zurück, wonach es noch freie Quartiere gebe. Solche Aussagen, wie sie etwa Caritas-Präsident Michael Landau getroffen hat, findet sie "bemerkenswert". Beim Krisengipfel am Freitag habe von diesen Institutionen kein einziges Quartier verifiziert werden können, dass ohne Widerstand sofort beziehbar wäre.

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