Kritiker werfen Bürgermeister vor, gegen Flüchtlinge "Sippenhaftung" anzuwenden

Hollabrunn: Abschiedsszenen beim Auszug jugendlicher Asylwerber.
Weil einer von ihnen ein Mädchen missbraucht haben soll, warf Stadtchef alle Asylwerber aus Schülerheim. Die Meinungen der Bürger sind geteilt.

Montagfrüh war es so weit: Die 20 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, die einige Monate lang im Studentenheim der HTL Hollabrunn im niederösterreichischen Weinviertel untergebracht waren, wurden abgeholt. Sie müssen, wie berichtet, auf andere Quartiere aufgeteilt werden, weil der Bürgermeister den Vertrag mit dem Betreuungsverein gekündigt hat.

Anlass ist der Verdacht, dass einer der Burschen ein 13-jähriges Mädchen missbraucht haben soll. Er befindet sich in U-Haft.

Zur Abreise der übrigen 20 Flüchtlinge, die großteils aus Afghanistan, Syrien und dem Irak kommen, fanden sich rund 25 Personen ein, um die jungen Männer zu verabschieden. Organisiert hatte das Treffen Grün-Gemeinderat Denis Thompson. Er kritisiert: "Das ganze erinnert mich an Sippenhaftung im Zweiten Weltkrieg. Bisher hat es mit den anderen Jugendlichen überhaupt keine Probleme gegeben."

Transparent

Kritiker werfen Bürgermeister vor, gegen Flüchtlinge "Sippenhaftung" anzuwenden
Hollabrunn Auszug jugendliche Asylwerber Vorwurf Sippenhaftung
Die Aktion war zwar nicht als Demonstration geplant – trotzdem entrollten einige Teilnehmer ein Transparent, das Sippenhaftung anprangert. "Diese Vorgangsweise ist sittenwidrig", meint Editha Lausch, die ebenfalls zur Verabschiedung kam. Sie gab den Burschen, die sich schweren Herzens trennen müssen, weil sie auf mehrere Quartiere aufgeteilt werden, zum Trost Süßigkeiten mit. "Übrigens verlieren durch die Aktion auch acht vor Ort angeworbene Betreuer ihren Job", erklärt der Chef der Hollabrunner Grünen, Peter Loy, der die Entscheidung des Bürgermeisters ablehnt.

"Ich habe zweien der Burschen Nachhilfe gegeben, die haben sich bemüht, sind vife Burschen. Unverständlich, dass man das Kind mit dem Bade ausschüttet", findet der pensionierte HTL-Lehrer Gilbert Hinterberger.

Gefährdung

Kritiker werfen Bürgermeister vor, gegen Flüchtlinge "Sippenhaftung" anzuwenden
Bürgermeister Erwin Bernreiter
Der angesprochene Stadtchef Erwin Bernreiter (ÖVP) weist diese Kritik von sich: "Ich habe die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und muss dem Ansinnen der Mehrheit der Bürger nachkommen." Im Gebäude des Studentenheimes seien neben den Schülern auch ein Kindergarten und eine Kleinkinder-Betreuungseinrichtung der Stadt untergebracht. Es tue ihm leid, aber er musste dem Wunsch der Eltern, die Kinder im Haus untergebracht haben, nachkommen. "Ich kann nicht warten, bis sich ein möglicher nächster Vorfall ereignet. Die Gefährdung dafür durch die Gruppe der Asylwerber betrachte ich eben als höher ", sagt Bernreiter.

Kommentare