Eiserner Vorhang bringt Schlepper-Invasion

Ungarn baut einen 175 km langen Grenzzaun zu Serbien.
Bevor Ungarn die Grenze dicht macht, werden noch mehr Flüchtlinge nach Österreich geschleppt.

Ungarn hat am Montag mit dem Bau eines 175 Kilometer langen und vier Meter hohen Grenzzauns an der serbischen Grenze begonnen. Der Eiserne Vorhang soll den Flüchtlingsstrom in die EU bremsen.

Der drastische Schritt bewirkt aber derzeit genau das Gegenteil: Seit der Ankündigung, die Grenze dicht zu machen, versuchen Schlepperorganisationen, vorher noch vermehrt Flüchtlinge nach Westeuropa zu schmuggeln. "Die kriminellen Organisationen nutzen die einfachste Route über Serbien und Ungarn. Sie versuchen noch alles, bevor hier die Grenze blockiert ist", erklärt der Sprecher des Bundeskriminalamts, Mario Hejl.

Eiserner Vorhang bringt Schlepper-Invasion
epa04846488 A bulldozer of the Hungarian Defence Force is used to prepare the terrain at the Hungarian-Serbian border near Morahalom, 179 kms southeast of Budapest, 14 July 2015, where a 150-meter long sample section of the so-called temporary border closure fence is to be built. EPA/ZOLTAN GERGELY KELEMEN HUNGARY OUT
Vor allem in Ostösterreich ist das verstärkte Schlepperaufkommen seit Tagen deutlich zu spüren. Die Route der Kriminellen führt in den meisten Fällen von Ungarn kommend über die Ost- und Westautobahn. Am Dienstag wurden alleine in Niederösterreich binnen drei Stunden drei illegale Transporte in Schwechat und Alland mit insgesamt mehr als Hundert geschleppten Flüchtlingen gestoppt. "So schlimm war die Situation noch nie. Wir haben täglich mehrere Aufgriffe", sagt ein führender Ermittler.

Teilweise werden die Flüchtlinge, die jeweils mehrere Tausend Euro für die Transporte bezahlen müssen, unter lebensgefährlichen Bedingungen transportiert.

Beinahe erstickt

"Die Zustände sind verheerend. Am Dienstag hätte es beinahe ein Todesopfer gegeben", so der Kriminalist. Eine Polizeistreife stoppte Dienstag um sechs Uhr Früh in Schwechat einen sichtlich überladenen Kastenwagen mit ungarischen Kennzeichen. Der 51-jährige bulgarische Schlepper hatte auf 7,74 kleinen Laderaum 54 syrische, irakische und afghanische Flüchtlinge gepfercht – 24 Männer, zwölf Frauen und 18 Kinder, darunter auch Babys.

Auf der stundenlangen Fahrt von Serbien durch Ungarn bekamen die Eingeschlossenen kaum Luft, worauf sie in Panik die Gummidichtungen aus den Türen rissen. Wegen des Sauerstoffmangels verlor eine Insassin das Bewusstsein.

Eiserner Vorhang bringt Schlepper-Invasion
In diesem Kastenwagen waren 54 Menschen zusammengepfercht.
"Die Flüchtlinge trommelten an die Außenwände, bis der Fahrer auf der Autobahn in Ungarn endlich stehen blieb. Die Frau fiel bei der Seitentüre heraus und musste Mund-zu-Mund beatmet werden", schildert die Polizei. Als sie nach zehn Minuten wieder zu sich kam, wurden alle Flüchtlinge mit Wasser versorgt und die Fahrt fortgesetzt. Das Ziel der Reise wäre Regensburg in Deutschland gewesen. Auch die deutsche Polizei berichtet über vermehrte Schlepper-Aufgriffe entlang der bekannten Routen der kriminellen Organisationen.

Am Sonntag wurden bei der A1 in Sattledt, OÖ, zwei Schlepper festgenommen. Die Bulgaren hatten 47 Menschen in einen Kastenwagen gepfercht.

In Wien ist es am Dienstag sogar zu einem Angriff auf Polizisten gekommen: Zivilbeamte verfolgten drei Fahrzeuge auf der A4 bis Simmering. Bei der Kontrolle attackierte einer der mutmaßlichen Schlepper Polizisten, bevor ihm samt Komplizen die Flucht gelang. Zurück blieben neun Flüchtlinge, darunter zwei Kinder.

Kommentare