„Strache ist der wahre Chef dieser Landesregierung“

Thomas Steiner, viele Jahre Büroleiter von Franz Steindl, ist seit zwei Monaten geschäftsführender ÖVP-Obmann. Seit 1945 saß die Volkspartei immer in der Landesregierung, jetzt regiert im Land Rot-Blau
Eisenstadts Bürgermeister Thomas Steiner (48) übernimmt die ÖVP in schwierigster Phase

KURIER: Die ÖVP ist nach 70 Jahren aus der Regierung geflogen, sind die Schockwellen schon verebbt?
Thomas Steiner: Es gab keinen Schock, nur eine Umstellungsphase. Nach Abschaffung des Proporzes musste man damit rechnen, nicht in der Regierung zu sein. Das gilt für alle Parteien.

Die Opposition hätte für die SPÖ den Tod bedeutet, sagt Landeshauptmann Hans Niessl...
...Für die ÖVP gilt das sicher nicht. Aber die SPÖ hängt irrsinnig an Machtstrukturen und Funktionen. Da wurden bei der Regierungsbildung mit den Blauen jegliche Grundprinzipien über Bord geworfen, um die Macht trotz der größten Wahlniederlage sogar noch zu vermehren.

Hätten Sie den Rücktritt von Niessl erwartet?
Ich maße mir kein Urteil an, aber ungewöhnlich wäre es beim Verlust von drei Mandaten nicht gewesen. Theodor Kery ist 1987 zurückgetreten.

Die ÖVP verlor zwei Mandate und Franz Steindl wurde nach 15 Jahren als Chef abgesetzt.
Er wurde nicht abgesetzt. Es war seine persönliche Entscheidung, dass er seine Funktion zurücklegt, nachdem sich Rot und Blau geeinigt hatten.

Es ist also ein Gerücht, dass er nur hätte bleiben können, wenn er der ÖVP den Landeshauptmann geholt hätte?
Das höre ich zum ersten Mal. Die SPÖ streut so etwas, um zu begründen, warum man die FPÖ als Koalitionspartner aussuchen musste.

Die ÖVP hätte das verhindern können, wenn der SPÖ als weitaus stärkster Partei das „Recht“ auf den Landeshauptmann zugestanden worden wäre.
Beim ersten Gespräch nach der Wahl ist es überhaupt nicht um diese Frage gegangen. Der Punkt war, dass zunächst alle Parteien miteinander reden. Wir hatten am Donnerstag Parteivorstand und ich nehme an, dass Franz Steindl dort vorgeschlagen hätte, mit wem wir vertiefende Gespräche führen. Zumindest diese Zeit hätte man sich nehmen müssen. Aber da hatte die SPÖ schon längst entschieden mit den Blauen zu koalieren.

Nach der ersten Auflage von Schwarz-Blau unter Wolfgang Schüssel hat‘s die FPÖ zerbröselt, kann das auch bei Rot-Blau im Burgenland passieren?
Ich glaube eher, dass die Koalition der SPÖ schaden wird. Vor allem in der Gesellschafts- und Sozialpolitik werden ideologische Unterschiede zwischen den beiden Parteien irgendwann aufbrechen, etwa beim Umgang mit Ausländern und Randgruppen. Zudem sitzt der wahre Chef dieser Landesregierung in Wien: Wenn FPÖ-Chef Strache für sich einen taktischen Vorteil sieht, wird er mit dem Finger schnippen und die Koalition ist vorbei.

Apropos ideologische Unterschiede: Im Wahlkampf hat die ÖVP der SPÖ Rechtslastigkeit vorgeworfen, die jüngsten Vorschläge der Volkspartei zur Asylpolitik könnten auch von der FPÖ stammen – Bundesheereinsatz, zeitlich begrenztes Asylrecht...
Aber nur auf den ersten Blick. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man den Unterschied: Bundesheer an der Grenze heißt für uns nicht, dass Soldaten die Grenze dicht machen, sondern es geht nur um logistische Unterstützung für die Polizei. Die FPÖ sieht das wohl ganz anders.

Erstaufnahmelager an der EU-Außengrenze hat auch zuerst die FPÖ gefordert.
Ich kenne nur den Vorschlag der Innenministerin. Es braucht ein Gesamtkonzept der EU, die einzelnen Staaten sind überfordert. Dazu gehören auch Aufnahmezentren an der Schengengrenze, von wo die Verteilung auf die Staaten erfolgt.

Was halten Sie von einer Asyl-Höchstgrenze, über die auch schon die ÖVP-Landeshauptleute in Oberösterreich und Salzburg nachdenken?
Eine einprozentige Höchstgrenze ist derzeit kein Problem, das wären 10 Flüchtlinge pro 1000 Einwohner. Aber die Frage ist, wie viele Flüchtlinge noch kommen, ich kann ja nicht die Genfer Flüchtlingskonvention außer Kraft setzen.

Haben Sie eine Lösung, wenn der Flüchtlingsanteil bei vier oder fünf Prozent liegt?
Nein. Aber ich bin überzeugt, dass es eine EU-weite Lösung geben wird.

Wie schaut‘s in Eisenstadt aus?
Mit rund 240 Flüchtlingen bei 14.000 Einwohnern liegen wir deutlich über ein Prozent. Eisenstadt ist trotzdem nicht untergegangen, auch wenn es für Bevölkerung und Verwaltung eine Herausforderung ist. Wir werden demnächst auch eine Person benennen, die sich um Integration kümmert, schließlich ist Eisenstadt eine wachsende Stadt.

Das Burgenland erfüllt sein mit dem Bund vereinbartes Plansoll bei der Unterbringung von Flüchtlingen derzeit nicht. Ihr Vorschlag?
Der zuständige SPÖ-Landesrat Darabos muss sich darum kümmern, mit den Bürgermeistern über mögliche Unterkünfte ins Gespräch zu kommen. Wir sind bereit, konstruktiv mitzuarbeiten. Ich verlange aber, dass die Zelte in der Landespolizeidirektion abgebaut werden, wenn das Burgenland die Quote erfüllt.

Als Bürgermeister müssen Sie mit Rot-Blau zusammenarbeiten, als Oppositionschef scharfe Kritik üben – zerreißt Sie dieser Spagat nicht?
Sicher nicht, auch in der rot-schwarzen Koalition war das Verhältnis nicht immer ungetrübt. Wo es notwendig ist, werde ich Fehlentwicklungen aufzeigen, aber gleichzeitig einen Plan fürs Burgenland erarbeiten. Unsere Oppositionspolitik wird ganz anders als die der FPÖ.

Ihr Ziel für die nächste Landtagswahl?
Stärker werden und wieder mehr als 30 Prozent erreichen. Aber die nächste wichtige Wahl ist die Kommunalwahl 2017, wo ich als Bürgermeister in Eisenstadt natürlich wieder antreten werde.

Sie folgen als Parteichef auf zwei Purbacher, in deren Büros Sie lange waren. ÖVP-Chefs kommen aus einem sehr kleinen Kreis?
Das sind Zufälligkeiten.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Steindl?
Gut, wir kennen einander seit ewigen Zeiten. Warum sollte unser persönliches Verhältnis getrübt sein?

War das kein politischer „Vatermord“?
Aber nein.

Wirtschaftskammerpräsident Peter Nemeth und Nationalrat Niki Berlakovich gehörten zu den schärfsten Steindl-Kritikern. Können Sie sich deren Loyalität sicher sein?
Ich kann nur sagen, dass ich mit beiden seit Jahren wirklich gut zusammenarbeite und ein freundschaftliches Verhältnis habe.

Sie fürchten keine Querschüsse?
Nein.

Was ist die schönere Position, Bürgermeister von Eisenstadt oder Landeshauptmann?
Das Bürgermeisteramt kenne ich, das ist meine bisher schönste Funktion. Landeshauptmann war ich noch nicht, deshalb kann ich das nicht beurteilen.

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