Hellas Farbsinn
Ihr Talent, Industrielles und Handwerkliches mit High- und Lowtech zu vereinen, hat Hella Jongerius bekannt gemacht. Geschätzt wird sie aber auch wegen ihrem feinen Gespür für Farbe. Vor 20 Jahren gründete sie ihre Designfirma „Jongeriuslab“, mit der sie seither erfolgreich für internationale Kunden tätig ist. IMMO hat Hella Jongerius in Mailand getroffen und mit ihr über die Bedeutung von Farben gesprochen.
Es dauert Jahre, bis man entdeckt und zu einem gefragten Designer wird. Bis es so weit ist, muss man an sich glauben, produktiv sein und zeigen, was man kann. Es geht nicht darum, ein Sofa zu entwerfen auf das niemand gewartet hat, sondern etwas zu verändern. Ihre Designfirma „Jongeriuslab“ gestaltet nicht nur Möbel sondern auch Schmuck, Schuhe und zuletzt neue Kabinen für die Fluglinie KLM.
Was genau planen Sie?
Konkret geht es um die Inneneinrichtung der Business Class Kabinen des Dreamliners 787. Wir beschäftigen uns mit der Form der Sitze, aber auch mit der Farb- und Materialwahl von Teppichen, Kissen und Vorhängen. Ich möchte eine wohnliche Atmosphäre schaffen, die man in Flugzeugen nicht gewohnt ist.Sie stellten heuer in Mailand den „Sphere Table“ für Vitra vor. Wie erklärt sich seine außergewöhnliche Form? Entstanden ist der Tisch für den Sitz der Vereinten Nationen in New York. Um fixe Stand-PCs aus dem Blickfeld zu bannen habe ich die „Bubble“ entworfen, hinter der sich der Bildschirm verstecken lässt. Die Halbkugel bietet aber auch beim Arbeiten zu Hause Schutz und Privatsphäre.
Seit fünf Jahren sind Sie für das Unternehmen auch als Art Direktorin tätig. Was sind Ihre Aufgabenbereiche?
Sie folgen einem Schema, das genau auf die Persönlichkeit der Designer abgestimmt ist. Wie erstellt man ein Farbschema für einen Designer, der bereits verstorben ist?
Zunächst analysieren wir die Originalskizzen aus dem Archiv. Anschließend nehmen wir Kontakt mit den Verwandten auf. In zahlreichen Gesprächen filtern wir das Farbspektrum, das die Person zu Lebzeiten bevorzugte, heraus. Was dann folgt, ist Puzzlearbeit: Wir suchen nicht nur eine Farbe pro Person, sondern erstellen einen ganzen Katalog. Zusammen bilden sie die Vitra-Farbwelt.
Welches Ziel haben Sie dabei vor Augen?
Es geht darum, vorhandene Entwürfe modern zu interpretieren. Neue Farben können Möbeln einen völlig anderen Ausdruck verleihen. Allein die Kombination von Matt und Glänzend kann viel bewirken.
Sie haben ein „Daylight Wheel“ entwickelt, das Farben zu unterschiedlichen Tageszeiten zeigt. Was möchten Sie damit veranschaulichen?
Aufgrund der wechselnden Intensität des Lichtes verändert sich die Wahrnehmung einer Farbe im Lauf des Tages. Um das zu überprüfen haben wir die Nuancen von mehr als 30 Farben zu fünf verschiedenen Tageszeiten analysiert und ein Rezept für jeden einzelnen Ton erstellt. Dabei hat sich gezeigt, dass gewisse Farben stabiler bleiben, andere wiederum verändern sich sehr stark.
Die Industrie, egal ob Kunststoff oder Papier, verfolgt das Ziel, eine Farbe stabil zu halten. Egal auf welcher Oberfläche, unter welchem Licht und zu welcher Uhrzeit – die Farbe soll immer gleich aussehen. Diesen Anspruch kann ich nicht teilen. Die Qualität einer Farbe zeichnet sich für mich dadurch aus, dass sie mit dem Licht interagiert und sich während des Tages verändern kann.
Haben Sie eine Lieblingsfarbe oder gibt es eine Farbe, die man bei Ihnen nie finden würde?
Nein, in diesem Punkt möchte ich mich nicht festlegen.
Ihre Kunden sind IKEA, KLM und Vitra. Ihre Arbeiten kann man auch im Museum bestaunen: unter anderem im Design Museum (London), der Galerie kreo (Paris) und der Moss Gallery (New York). Ob Textil, Keramik oder industriell gefertigte Möbel: Immer wieder thematisiert Hella Jongerius die Bedeutung von Farben und Oberflächen im zeitgenössischen Design. Ihre Expertise in diesem Bereich bringt sie aktuell bei der Entwicklung einer Farb- und Materialwelt für Vitra ein.
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