Der große Unterschied
Auf den ersten Blick sieht man es eben nicht: Falsche Maße und Proportionen, Hebel ohne Funktion oder falsch platzierte Nähte. „Wenn man schnell hinschaut, ist der optische Unterschied nicht groß“, sagt Peter Teichgräber. Der Gründer von prodomo, ein auf Designmöbel spezialisiertes Einrichtungshaus, spricht ein Problem an, das zunehmend mehr Konsumenten betrifft. Sogenannte Design-Klassiker werden immer häufiger kopiert und im Internet günstig verscherbelt. „Vielen Käufern ist es egal, ob sie ein Plagiat kaufen oder nicht. Andere sind sogar stolz darauf und glauben, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Aber die meisten wissen gar nicht, dass sie eine Kopie gekauft haben“, sagt Teichgräber.
Seit zwei Jahren wird auch prodomo mit diesem Problem konfrontiert. „Kunden kamen mit ihren beschädigten Stücken oder mit Fotos davon. Sie dachten, dass wir es reklamieren können, da es sich um ein Möbel eines autorisierten Herstellers wie Vitra oder Fritz Hansen handelt. Bei genauem Hinsehen stellte sich heraus, dass das Stück eine Fälschung ist. Für viele war das eine Riesenüberraschung, sie hatten keine Ahnung, auf ein Imitat hereingefallen zu sein“, erzählt Werner Backhausen. „Wir konnten nichts reklamieren und die Kunden sind auf ihrem Schaden sitzen geblieben“, so der Vertriebs- und Marketingleiter von prodomo.
Was Fakesvom Original unterscheidet, konnte – oder wollte – bisher niemand sagen. „Plagiate sind ein Tabuthema“, sagt Backhausen. „Wir wollten nicht länger schweigen und haben uns die Unterschiede bei den meist kopierten Klassikern – dem Lounge Chair von Ray und Charles Eames und der Egg Chair von Arne Jacobsen – angeschaut.“ In Absprache mit den beiden Herstellern Fritz Hansen und Vitra hat das Wiener Möbelhaus je ein gefälschtes Exemplar im Internet bestellt.
Die Resultatesprechen Bände. Allein die Materialien weisen enorme Unterschiede auf: Beim Plagiat des Lounge Chairs etwa ist das Leder zu stark gespannt. Und der Stoffbezug des kopierten Egg Chairs fühlt sich unangenehm und synthetisch an. Die Liste lässt sich lange fortsetzen. Viele Details erkennt man nur bei genauem Hinsehen, beim Anfassen und Probesitzen. Dazu bietet sich Gelegenheit: Bis 23. November sind die Stücke im Loft von prodomo Wien ausgestellt und können in aller Ruhe getestet werden.
prodomoWien
Michael-Bernhard-Gasse 12–14,
1120 Wien, Tel. 01/982 16 11
www.prodomowien.at
Polsterung und Leder: Beim Original sind Sitz- und Rückenkissen mit hochwertigem Schaumstoff und Vlies gefüllt. Durch Luftlöcher kann die Luft beim Hinsetzen ausströmen. Die Bezüge aus weichem Anilinleder sind abnehmbar, jeder Einzelteil ist austauschbar. Beim Plagiat wird billiges Leder verwendet, Luftlöcher sucht man vergeblich. Die Bezüge sind nicht abnehmbar, weil die Kissen an der Schale „angetackert“ sind.
Armlehnen und Spangen: Die Proportionen der Armlehnen sind falsch, die Linienführung plump. Die Gummimuffe an der Unterseite der Armlehne, die ein Ausreißen der Rückenschale verhindert, fehlt komplett. Die Spangen an der Rückseite sind zudem nicht poliert oder schwarz lackiert.
Federkraft-Einstellung: An der Unterseite befindet sich ein Hebel, über den sich der Neigungswinkel der Rückenlehne einstellen lässt. Er regelt den Wippmechanismus und sorgt für einen angenehmen Schaukeleffekt. Beim Original ist dieser mit einem Kreis aus Leder verstärkt. Der Hebel beim Plagiat besitzt keine Funktion. Er dient nur der Dekoration, ein Zurücklehnen ist nicht möglich. Außerdem fehlt die Ledereinfassung.
Kennzeichnung: Auch Etiketten können gefälscht werden. Aber beim Original verstecken sich mehrere Hinweise, die die Echtheit belegen. Ein Aufkleber ist an der Unterseite der Sitzschale angebracht. Die Seriennummer findet man an der Innenseite hinter einem Rückenkissen. An der Unterseite des Gestells ist neben dem Firmenlogo eine Seriennummer eingraviert, die auf der Webseite von Fritz Hansen abgefragt werden kann. Damit lässt sich die Authentizität des Möbelstücks prüfen und die Garantie kann auf bis zu 10 Jahre ausgedehnt werden.
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