Buntes Treiben in Amsterdam

Buntes Treiben in Amsterdam
Das niederländische Duo Carole Baijings und Stefan Scholten wurde mit seinen facettenreichen Farbspielen bekannt. Heute ist das Paar eine fixe Größe in der Designszene. Ein Gespräch in Mailand.

KURIER: Zu Ihren neuesten Entwürfen zählt die Chaiselongue "Ottoman". Wie kam es dazu?
Carole Baijings: Alles begann mit dem Design von "Blocks & Grid", ein Stoff, den wir für die New Yorker Textilfirma Maharam gestalteten. Um ihn entsprechend präsentieren zu können, entstand die Idee, ein Möbel zu entwerfen und damit zu beziehen. Weil das Muster aus Farbblöcken und Linien besteht, wollten wir im Gegensatz dazu ein Möbel mit sanften Rundungen und weichen Linien gestalten.
Stefan Scholten: Es war reizvoll, ein geometrisches Muster auf einem geschwungenen Möbel anzuwenden. Zudem wollten wir mehrere Ebenen übereinander schichten: Die futonartige Unterlage soll einen komfortablen Sitzplatz bieten, die Polster im Rücken dienen zum Anlehnen. "Ottoman" ist das erste Stück einer Produktfamilie, weitere werden folgen.

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Was zeichnet das Gewebe aus?
Stefan Scholten:Bei Textilien, egal ob gewebt oder gedruckt, treten üblicherweise Wiederholungen auf – dann, wenn das Muster wieder von vorne beginnt. Bei "Blocks & Grid" wollten wir vermeiden, dass dieser Übergang sichtbar ist. Wir haben das Design auf eine Länge von neun Metern ausgedehnt. Dadurch kann es stets unterschiedlich kombiniert werden. Selbst große Polstermöbel wie Zwei- oder Dreisitzer können damit tapeziert werden, ohne dass sich das Muster wiederholt.
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Mit "Ottoman" feiern Sie zugleich Ihr Debüt bei Moroso. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Carole Baijings: Wir kennen Patrizia Moroso schon länger, aber für eine Kooperation hatte sich bisher keine passende Gelegenheit ergeben. Als der Stoff schließlich in Produktion ging, waren wir immer noch auf der Suche nach einem Hersteller für das Sofa – das war die perfekte Möglichkeit. Moroso erwies sich auf Anhieb als ,perfect match‘ und es freut uns sehr, dass nun auch einer unserer Entwürfe das Sortiment bereichert. Darüber hinaus ist mit dem Sitzmöbel unsere erste Arbeit für eine italienische Möbelfirma überhaupt gelungen. Auch darauf sind wir stolz. Immerhin sind wir schon seit 15 Jahren im Business.
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Sind gelten als Farb- und Muster-Experten der internationalen Designszene. Sind Sie dabei auf eine bestimmte Materie spezialisiert?
Stefan Scholten:
Wir arbeiten mit vielen Werkstoffen, von Holz über Glas bis zu Edelstahl und Porzellan. Wir experimentieren mit Materialien und möchten unsere Leidenschaft, die Komposition von Farbe und Muster, auf möglichst vielen Oberflächen zum Ausdruck bringen. Auch wenn jede Textur anders behandelt werden muss, möchten wir uns diesbezüglich nicht festlegen.
Carole Baijings: Wir arbeiten stets auch an vielen verschiedenen Projekten gleichzeitig. Das Schöne daran ist, dass sie sich gegenseitig positiv beeinflussen. Wir entwickeln unsere Stoffe, mischen unsere Farben und fertigen unserer Modelle selbst an. Daraus entstehen oft neue Impulse oder Denkansätze, wie wir mit Materialien umgehen und sie bearbeiten könnten.
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Sie haben einen fabelhaften Umgang mit gewagten Farben wie Neonpink oder Zitronengelb. Wie treffen Sie den richtigen Ton?
Carole Baijings:
Das fällt uns relativ leicht. Schwierig ist es, die Farbe von der Skizze auf den jeweiligen Untergrund zu übertragen. Die richtige Nuance vom Papier auf Holz oder Wolle zu bringen, ist eine große Herausforderung.
Stefan Scholten:Ein ebenso heikler Punkt ist der Übergang vom Prototyp zur Serienproduktion. Im Studio kann man so lange testen, bis der richtige Ton gefunden ist. Bei großen Stückzahlen geht das nicht mehr.

Welchen Einfluss hat die Dimension des Möbelstücks auf die Farbwahl?
Carole Baijings:
Einen großen. Auf dem Papier wirkt ein Farbton ganz anders als auf einem Sofa. Diese Erfahrung haben wir beim Entwickeln unserer Textilien gemacht – und festgestellt: Ein Plaid darf etwas gewagter sein, denn hat man sich einmal sattgesehen, faltet man es zusammen und legt es in den Schrank. Bei Polstermöbel ist das anders. Sie sollten 20 Jahre und mehr Bestand haben.

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Was ist Ihre Inspirationsquelle?
Carole Baijings:
In der Natur gibt es keine vulgären Farben. Selbst das kräftigste Pink sieht an Blumen wunderbar aus. Eine große Inspiration ist daher herauszufinden, ob wir mit unserer persönlichen Farbwahl eine ebenso natürliche Balance erreichen können.
Stefan Scholten:Wir suchen weniger nach Inspiration als nach Zeit, die wir mit unserem Sohn verbringen können. Wir reisen sehr viel und erleben dabei vieles, das wir gerne einmal ausprobieren würden. Wir hoffen immer, dass wir eine Idee haben. Interessanterweise haben wir immer zu viele.

Was passiert dann damit?
Carole Baijings:
Wir heben sie auf, irgendwie konnten wir noch jede Idee verwerten. Schließlich sind wir ein großes Team und arbeiten zurzeit an 20 Projekten gleichzeitig. Allerdings möchten wir das in Zukunft etwas reduzieren. Stefan Scholten: Darunter sind einige Langzeitprojekte, die schon 2013/’14 begannen. Etwa für die japanische Porzellanmanufaktur 1616/Arita. Zu deren 400-Jahr-Jubiläum wurden wir eingeladen, 16 internationale Designer sowie Porzellanmanufakturen in Japan zu verlinken. Die Ergebnisse werden heuer präsentiert.

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Sie sind auch privat ein Paar. Wie vereinen Sie Job und Familie?
Stefan Scholten:
Aufgrund unserer Arbeit verbringen wir täglich viele Stunden zusammen. Aber uns fehlt die Zeit für das Privatleben. Durch unseren zweijährigen Sohn Rem haben wir zwar gelernt, loszulassen. Abstellen können wir unsere Arbeit aber nicht. Wir lieben, was wir tun. Nur im Urlaub sprechen wir nicht über Projekte. Da sind wir einfach zu müde.

Wie muss man sich Ihr Zuhause vorstellen? Wohnen Sie mit Farbe?
Carole Baijings:
Ja, wir sind überall davon umgeben. Wir haben alle Prototypen zu Hause, um zu testen, ob sie funktionieren. Ist das Porzellan stark genug? Sind die Textilien robust? Und ist der Sessel ausreichend bequem, um einen ganzen Abend lang darauf zu sitzen?

Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Carole Baijings:
Die Zusammenarbeit, auf allen Ebenen: Zwischen uns als Mann und Frau, innerhalb unseres Teams und zwischen den Kulturen, mit denen wir durch unsere internationalen Auftraggeber in Berührung kommen.

Das Designstudio „Scholten & Baijings“ wurde in Amsterdam im Jahr 2000 von Stefan Scholten und Carole Baijings gegründet. Ihre Werke zeichnen sich durch eine minimale Formensprache, einfache geometrische Muster und Sinn für Farbe aus. Das Duo, das auch privat ein Paar ist, ist international von Japan über Holland bis nach Dänemark für Möbel- und Interiorhersteller tätig. Ihre Arbeiten wurden mit dem „Dutch Design Award“ und dem „Wallpaper Design Award“ ausgezeichnet. Renommierte Museen wie etwa das „Stedelijk Museum Amsterdam “ stellen ihre Werke aus. www.scholtenbaijings.com

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