Die Leber aus dem 3-D-Drucker

Die Leber aus dem 3-D-Drucker
Der Mangel an Spenderorganen soll durch maßgefertigtes Gewebe bald Geschichte sein.

Die Herstellung von beliebigem menschlichem Gewebe ist für Mediziner ein lang gehegter Traum. Damit könnte vielen Menschen, die heute auf langen Wartelisten für Transplantationen stehen, sofort geholfen werden. Forscher auf der ganzen Welt versuchen in ihren Laboren, solche menschlichen „Ersatzteile“ zu erschaffen. Die rasante Entwicklung im Bereich der 3-D-Drucker hat zu einem vielversprechenden Ansatz geführt. Das US-Unternehmen Organovo hat vor Kurzem mit der „weltweit ersten gedruckten Leber“ für Schlagzeilen gesorgt. Dabei handelt es sich allerdings noch nicht um ein vollständiges Organ. „Derzeit können wir kleine Stücke von funktionsfähigem, menschlichem Gewebe drucken“, sagt Michael Renard, Vizepräsident bei Organovo, gegenüber dem KURIER. Vollständige Organe sind das nächste große Ziel.

Zellen statt Tinte

Der Prozess funktioniert ähnlich wie bei einem Tintenstrahl-Drucker, nur dass statt verschiedenen Farben menschliche Zellen als Material dienen. Diese werden entweder aus Gewebeproben gewonnen oder aus Stammzellen gezüchtet und Schicht für Schicht zu dreidimensionalen Strukturen zusammengesetzt. Als Trägermaterial kommt teilweise ein Kunststoff-Gel auf Wasserbasis zum Einsatz, das später wieder entfernt wird.

Das Verfahren ist vielfältig einsetzbar und nicht auf einen Zelltyp beschränkt. „Wir haben schon verschiedenste Gewebe gedruckt, etwa Lunge, Muskel, Blutgefäße, Nerven, Herz oder Knochen“, erklärt Renard. Die Ergebnisse des Prozesses können derzeit zwar noch nicht verpflanzt werden, erfüllen aber andere medizinische Aufgaben. Forscher können die Gewebestücke gefahrlos mit Krankheiten infizieren, um deren Verlauf zu studieren. Auch für Medikamententests eignet sich das gedruckte biologische Material besser als herkömmliche Zellkulturen, da es echten Organen weit näher kommt.

Stoffwechsel

Die Leberstücke, mit denen Organovo für Aufsehen gesorgt hat, bestehen aus drei verschiedenen Zelltypen. Das Gewebe blieb nach dem Druck für 135 Stunden stabil und hat in dieser Zeit Leber-typische Stoffwechselprodukte wie Albumin und Cholesterin produziert. Der Druck selbst dauert bei den kleinen Strukturen, die derzeit geschaffen werden, lediglich einige Stunden. Danach muss das Ergebnis aber für einige Tage bis Wochen in einer Nährlösung lagern, wo es zusammenwächst und seine endgültige Gestalt annimmt.

Für Organovo besteht der nächste Schritt darin, Gewebestücke zu schaffen, die bei Operationen (etwa am Herzen) tatsächlich verpflanzt werden können. Dieser Schritt könnte in den kommenden Jahren gelingen. Vollständige Organe sollen frühestens in 20 Jahren herstellbar sein. Vor allem der komplexe Aufbau stellt die Forscher noch vor enorme Herausforderungen. So muss das komplette Versorgungsnetz aus Blutgefäßen mitgedruckt werden, um Nieren, Herzen oder Lebern aus der Maschine dauerhaft am Leben erhalten zu können.

Bei einem Erfolg könnten Wartelisten für Spenderorgane tatsächlich überflüssig werden. Zudem werden die Gewebe aus dem Drucker aus körpereigenen Zellen gewonnen, wodurch auch Abstoßungsreaktionen und das Immunsystem unterdrückende Medikamente kein Thema mehr wären. Organovo ist jedenfalls zuversichtlich: „Wir werden unsere Technologie weiter verbessern, damit sie immer komplexere Strukturen ermöglicht“, sagt Renard.

Morgen: Reparieren statt zumüllen

Die Leber aus dem 3-D-Drucker

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