"Pionier der Pflanzenbiologie": Jiří Friml erhält den Wittgenstein-Preis 2024

Jiří Friml ist der Wittgenstein-Preisträger 2024.
"Im Gewächshaus ist etwas kaputt gegangen" - das war der erste Gedanke, als am vergangenen Wochenende eine österreichische Nummer auf Jiří Frimls Handy aufschien. Er war gerade auf dem Weg zu seinen Eltern in Tschechien. "Normalerweise rufen mich die Leute am Samstag nicht an." Passiert war tatsächlich etwas: Friml erhält vom Wissenschaftsfonds FWF den Wittgenstein-Preis 2024, der oft auch als "Austro-Nobelpreis" bezeichnet wird.
"Eine Bestätigung unserer Arbeit"
Damit erhält der Biochemiker und Zellbiologe den mit 1,7 Millionen Euro höchstdotierten und wichtigsten Wissenschaftspreis, den Österreich zu vergeben hat. "Das ist eine große Auszeichnung für mich und mein Team, eine Bestätigung, dass unsere Arbeit anerkannt wird", sagt Friml im KURIER-Gespräch. "Es motiviert uns, unseren wissenschaftlichen Weg weiterzufolgen und weitere Forschungen durchzuführen. Der Preis gibt uns die Möglichkeit, auch etwas radikal Neues auszuprobieren."
Dass er gern neue Wege geht, hat der 51-Jährige schon mit seinen bisherigen Forschungen bewiesen. Sein Gebiet sind die Mechanismen, mit denen sich Pflanzen an ihre Umgebung anpassen. Insbesondere die Erforschung des Hormons Auxin gilt als bahnbrechend.
Signalweg wurde entschlüsselt
Das ist ein Signal, das durch die gesamte Pflanze fließt, ein Transportnetzwerk, das Wachstum und Umweltanpassung reguliert. "Pflanzen haben kein Nervensystem wie Menschen und Tiere, um Reize aus der Umgebung wahrzunehmen und über das Gehirn zu reagieren." Auxin ist sozusagen der Ersatz dafür. "Auxin ist das universellste und wichtigste Signal der Informationsvermittlung zwischen Pflanzenzellen. Licht, Schwerkraft, Schatten, Temperatur und andere werden übermittelt und so übersetzt, dass die Pflanze das Beste aus den Bedingungen machen kann."
Die internationale Fachjury würdigte Friml in ihrer Begründung als "Pionier auf dem Gebiet der Pflanzenbiologie. Dank seiner Arbeiten verstehen wir heute, wie Auxin das gezielte Wachstum von Pflanzenorganen steuert." Er sei einer der "kreativsten Forscher auf einem Gebiet, in dem Österreich eine führende Rolle spielt. Er ist eine treibende Kraft in der globalen Pflanzenbiologie."
Der Zufall führte ein bisschen Regie
Zu seinem Spezialgebiet kam Jiří Friml "ein bisschen durch Zufall. Auxin war das Thema des Labors in Köln, wo ich als junger Doktorand gearbeitet habe", erinnert er sich. "Ich war dann aber extrem neugierig, wie das in Pflanzen funktioniert und habe bemerkt, dass diese Auxinflüsse je nach den Signalen von außen tatsächlich geändert werden." Was würde passieren, wenn man diese Flüsse manipuliert und unterbricht? "Wir haben festgestellt, dass fast alles schief läuft. Wir konnten bei jedem einzelnen Prozess zeigen, wie es funktioniert, bei Blättern, Blüten, der Verzweigung von Stengeln, Wurzelsystementwickung." Es habe sich um einen "völlig unbekannten Mechanismus, wie Wachstum und Entwicklung gesteuert wird" gehandelt.
Forschung birgt Potenzial für Nutzung in der Landwirtschaft
Das Verständnis über den Auxin-Signalweg birgt viel Potential für zukünftige Nutzungen, sind sich Grundlagenforscher einig, etwa in der Landwirtschaft. Eine gezielte Steuerung des Signalwegs könnte genutzt werden, um die Energie von Nutzpflanzen auf dem Feld zu lenken und für das eigene Wachstum zu nutzen, anstatt für gegenseitigen Wettbewerb.
Preisträger
Jiří Friml ist Biochemiker, Zellbiologe und Genetiker und studierte an den Universitäten Brünn, Köln und Tübingen. Er hatte Professuren an den Universitäten Tübingen und Gent sowie am Vlaams Instituut voor Biotechnologie inne. 2012 kam er an die renommierte Forschungseinrichtung Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg und leitet hier die 15-köpfige Forschungsgruppe "Pflanzliche Entwicklungs- und Zellbiologie". Der Pflanzenbiologe zählt zu den weltweit meistzitierten Forschern. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2015 mit dem Erwin-Schrödinger-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Wittgenstein-Preis
Der Preis ist mit heuer 1,7 Millionen Euro der am höchsten dotierte Wissenschaftspreis Österreichs und wird seit 1996 vom Österreichischen Wissenschaftsfonds vergeben. Ausgezeichnet werden exzellente Forschende aller Fachdisziplinen, das Preisgeld soll die Forschung der Preisträger unterstützen und Flexibilität garantieren. Die Auswahl basiert auf Empfehlung einer 13-köpfigen internationalen Jury aus Spitzenforschenden, darunter zwei Nobelpreisträger (Bruce Beutler, Medizin, und Stefan Hell, Chemie).
Kommentare