Wie SARS-CoV-2 in den kommenden Monaten und Jahren auftreten könnte.
Im ersten Szenario folgt auf die erste Welle – einige Länder haben diese schon durchgemacht, andere, etwa die USA aber auch der südamerikanische Kontinent, sind noch mittendrin – eine Reihe mäßiger, langsam abflauender Wellen im Sommer und den folgenden ein bis zwei Jahren. Eine laufende Anpassung der Sicherheitsmaßnahmen sei in diesem Fall unerlässlich. Gerald Gartlehner, klinischer Epidemiologe und Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems, hält das für plausibel: "Dass es periodisch zu einer Erhöhung der Infektionszahlen wegen lokaler Herde kommt, ist denkbar. Ein zweites Ischgl – das in Österreich in der ersten Phase ein Motor in der Virusausbreitung war – wird uns aber sicher nicht passieren. Da haben wir zu viel dazugelernt."
Im zweiten Szenario schließen sich an die erste Welle eine weit größere Zahl von Infektionen im kommenden Herbst und Winter sowie kleinere Wellen im nächsten Jahr an. Ähnlich, wie es bei der Spanischen Grippe der Fall war. Um einen erneuten Lockdown käme man dann nicht umhin. Der ungünstigste Fall, sagt Gartlehner: "Das wäre desaströs. Nicht nur aus gesundheitlicher Sicht, sondern weil ich glaube, dass Gesellschaft und Wirtschaft das nicht durchhalten." Zu groß wären die Kollateralschäden. Der Epidemiologe hält einen zweiten großen Peak ohnehin nur für realistisch, sollte es zu einer aggressiven Mutation von SARS-CoV-2 kommen. "Dann könnte das Virus heftiger zurückkommen. Wie wahrscheinlich das ist, wissen wir gegenwärtig noch nicht." Auch die Entwicklung eines Impfstoffes würde so erschwert.
Im dritten Szenario gehen die Forscher davon aus, dass die aktuelle Covid-19-Welle die dramatischste bleibt. Es seien lediglich kleinere Nachwehen "ohne klares Muster" zu erwarten. Dieses Szenario würde keine weiteren Eindämmungsmaßnahmen erforderlich machen. Gartlehner hält das – wie im Übrigen auch das Autorenteam selbst – für die unwahrscheinlichste Variante. "Das wäre nur denkbar, wenn wir in unserer Gesellschaft schon eine relativ weit verbreitete Immunität aufgebaut hätten. Dann würden sich vereinzelt Menschen anstecken, die immunen Mitmenschen die rasante Ausbreitung aber stoppen." Und davon ist Österreich weit entfernt: Selbst in stärker betroffenen Regionen haben sich bisher nur knapp fünf Prozent der Bevölkerung infiziert – viel zu wenig für eine natürliche Barriere einer Ausbreitung.
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