Warum wir die Apokalypse immer wieder herbeisehnen

Warum wir die Apokalypse immer wieder herbeisehnen
Endzeitliche Vorstellungen finden sich in zahlreichen Religionen. Sie bedeuten aber nicht nur Untergang.

Gewaltige Hagelbrocken, die vom Himmel fallen. Ein Erdbeben, so verheerend wie noch keines zuvor. Das Feuer der Sonne, das die Menschen verbrennt. Die Offenbarung des Johannes fährt so ziemlich alles auf, um das Ende der Welt möglichst anschaulich zu beschreiben. Es erinnert an heutige Zeiten, die von Krankheit, Krieg und Klimakrise geprägt sind. 

Das Christentum ist nicht die einzige Religion, die endzeitliche Vorstellungen kennt. Im Islam ist es der Mahdi, der vor dem Jüngsten Gericht das Recht wiederherstellt. Im Judentum der Messias, der Israel am Ende der Tage erlöst.

„Judentum, Christentum und Islam haben lineare Erzählungen, bei denen alles auf eine Endzeit zuläuft“, erklärt Alexander-Kenneth Nagel, Religionswissenschafter an der Universität Göttingen. Im Gegensatz zu dharmischen Traditionen, wie den hinduistischen Religionen. „Hier gibt es eine zyklische Vorstellung von vier Zeitaltern, die die Welt immer wieder durchläuft.“ Nach Einschätzung einiger hinduistischer Gelehrter befinde man sich gerade im Kali-Zeitalter, der Ära des Verderbens. Danach beginnt der Kreislauf mit dem goldenen Zeitalter von vorne.

Wende zum Besseren

Mit modernen, säkularisierten Endzeitvorstellungen, bei denen alles mit der Katastrophe endet, sind sie nicht gleichzusetzen. Denn der Weltuntergang bedeutet in der Religion stets eine Wende hin zum Besseren. „Die frühen Christen haben sich die Endzeit stark herbeigesehnt. Als Zeit, in der das Joch der römischen Unterdrückung endet und sich die Gemeinschaft im Einklang mit Gott entfalten kann“, sagt Nagel.

Woher kommt diese Sehnsucht nach der Endzeit, die sich in Religionen der Welt niederschlägt? Religionspsychologisch wird es laut Nagel so erklärt: „Es ist die Verallgemeinerung des eigenen Todes. Der Mensch erkennt, dass seine Lebenszeit endet, und überträgt das auf die Welt.“

Krisen können diese Überzeugungen befeuern, sind aber nicht Voraussetzung. „In den letzten 20 Jahren – rückblickend eine Zeit der Sicherheit – hatten Endzeitvorstellungen Konjunktur, man denke an den Maya-Kalender. Sie können also auch dann faszinieren, wenn man Dinge als festgefahren empfindet und sich Veränderung herbeisehnt.“ 

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