Warum die Waldrappen zu spät Richtung Süden fliegen

Warum die Waldrappen zu spät Richtung Süden fliegen
Die Vögel sind durch den plötzlichen Winterbruch akut gefährdet. Jetzt steht ein Artenschutzprojekt auf der Kippen.

Waldrappen sind Zugvögel, die unter geeigneten thermischen Bedingungen die Alpen problemlos überfliegen können, was sie im Herbst auch müssen, da sie sich dann Richtung Toskana aufmachen. Doch Artenschützer schlagen Alarm: Der Großteil der Waldrappen aus den Kolonien des nördlichen Alpenvorlandes haben nämlich noch immer nicht die Berge Richtung Süden überquert. Jetzt sind die Zugvögel durch den nahenden Wintereinbruch akut gefährdet.

Konkret sind dies 29 Vögel aus den beiden Kolonien Kuchl im Land Salzburg und Burghausen in Bayern sowie 17 Vögel aus der Kolonie Überlingen am Bodensee in Baden-Württemberg, die sich nahe der Stadt Chur im Kanton Graubünden aufhalten. Die Vögel müssen nun eingefangen und in den Südalpenbereich transferiert werden, um größere Verluste zu vermeiden.

Kein leichtes Unterfangen

Das Einfangen ist schwierig, denn die Mehrzahl der Vögel wuchs in der Wildnis auf und ist nicht an Menschen gewöhnt. Aber alle 29 Vögel der zwei östlichen Kolonien konnten vom erfahrenen Team inzwischen gefangen werden. Sie sind nach Südtirol transferiert worden, von dort sogleich in Richtung des Wintergebietes aufgebrochen und zum Teil auch schon dort angekommen. Am Freitag, den 26. November beginnt das Waldrappteam mit dem Fang der Vögel die sich derzeit in Chur in der Schweiz aufhalten.

Warum die Waldrappen zu spät Richtung Süden fliegen

Fang der Waldrappe im Pinzgau, Österreich.

Die momentane Situation ist für das Waldrappteam alarmierend, aber nicht ganz überraschend. Johannes Fritz, Leiter des Unternehmens Waldrappteam Conservation and Research: „Seit die Waldrappe vor rund 10 Jahren mit dem Zugverhalten begonnen haben, beobachten wir einen klaren Trend. Der Beginn der Herbstmigration wird zunehmend variabler und die Abflüge erfolgen immer später.“ Anfänglich begannen die Anflüge gegen die Alpen im frühen Oktober. Im vergangenen Jahr querte ein Großteil von ihnen die Alpen aber erst am 26. Oktober und in diesem Jahr begannen sie mit den Anflügen am 31. Oktober.

Knapp vor der italienischen Grenze

Dabei werden die Schwierigkeiten nicht durch einen Mangel an Zugmotivation verursacht. Im Gegenteil, diese ist bei den Vögeln in diesem Jahr sehr ausgeprägt. Seit Ende Oktober sind sie in großen Gruppen wiederholt weit in die Alpen geflogen, auf direktem Kurs in Richtung Wintergebiet in der Toskana. Auch die Jungvögel waren immer mit dabei. Das ist sehr wichtig, denn sie kennen die Zugroute nicht und sind von Artgenossen abhängig, denen sie ins Wintergebiet folgen können. Die Überlinger Vögel hatten bei einem dieser Anflüge die Schweiz bereits beinahe durchquert und waren nur mehr wenige Kilometer von der italienischen Grenze entfernt. Letztlich kehrte ein Großteil der Vögel aber immer wieder um und flog zurück an den Alpennordrand. Nur fünf Vögel querten im Herbst dieses Jahres eigenständig die Alpen.

Die Waldrappe zeigen also zwar weiterhin ihre stark ausgeprägte Zugmotivation aber das Timing passt nicht mehr. Die Vögel sind verspätet und das steht offensichtlich in direktem Zusammenhang mit den immer ausgedehnteren herbstlichen Wärmeperioden. So war das Temperaturmittel im Oktober dieses Jahres höher als jemals zuvor seit Messbeginn. Nicht so klar ist dagegen, warum das Queren der Alpen den Vögeln offenbar umso schwerer fällt, je später sie losfliegen. Vermutlich fehlt ihnen im Spätherbst die Thermik, welche sie benötigen, um die Alpenpässe zu überfliegen. 

Warum die Waldrappen zu spät Richtung Süden fliegen

Anlocken der Waldrappe mit einem ferngesteuerten Futterautomaten.

Wiederansiedlung der Waldrappe

Im Jahr 2022 begann das zweite europäische LIFE-Projekt zur Wiederansiedlung der Waldrappe. Schon in der Antragsphase dieses internationalen Projektes sind Folgen des Klimawandels bereits als das größte Risiko für die erfolgreiche Wiederansiedlung des Waldrapps angeführt. Johannes Fritz: „Es war uns bewusst, dass der Klimawandel auch für die Wiederansiedlung der Waldrappe ein zunehmendes Risiko darstellt. Die Realität bestätigt nun leider unsere Annahmen, und dies wesentlich rascher und unmittelbarer als angenommen. Dass deutliche Veränderungen im Verhalten der Vögel bereits über einen so kurzen Zeitraum von 10 Jahren zu beobachten sind, ist wirklich alarmierend.“

Die beobachteten Verhaltensänderungen sind kein Spezifikum der Waldrappe. Bei vielen Zugvogelarten zeichnen sich Änderungen in den Zugmustern ab, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Bei den Waldrappen werden die Konsequenzen des Klimawandels jedoch aufgrund des intensiven Monitorings besonders deutlich sichtbar. Johannes Fritz: „Unser Team arbeitet an Strategien, um den Waldrappen trotz der sich rasch ändernden Umwelt ein nachhaltiges Überleben zu ermöglichen. Das ist generell eine große Herausforderung für den Artenschutz, denn immer mehr Arten werden ein aktives Management benötigen. Es gibt dafür spannende methodische Ansätze, die wir nun wohl auch für den Waldrapp in Erwägung ziehen müssen. Aber vorerst brauchen die Vögel akut unsere Hilfe.“

Kommentare