Ulrike Schiesser, Psychologin und Sekten-Expertin, verblüfft das nicht: „Ich habe für Österreich sogar höhere Werte. Auf die Frage Welche übernatürlichen Phänomene erscheinen ihnen glaubhaft, antworten 19 Prozent: Hellsehen und wahrsagen.“ Hexerei und Verwünschungen hielten nur sieben Prozent für glaubhaft. Bei Telepathie (28 % ) und Wunderheilung (27 %) liegt der Glaubenssatz jedoch beträchtlich höher.
Österreich liegt mit seinen magischen Anwandlungen im europäischen Schnitt. Nur in den nordeuropäischen Ländern scheint der Gutteil der Bevölkerung (91 Prozent) immun gegen den bösen Blick zu sein. Besonders viele Hexengläubige gibt es dagegen in Tunesien mit fast 90 Prozent. Und das unterscheidet sich kaum von anderen afrikanischen Ländern.
„Es ist eine typisch menschliche Eigenschaft, dass wir dafür anfällig sind“, sagt Psychologin Schiesser. Gar nicht abergläubisch zu sein, sei eher die Ausnahme. Die Gründe: „Wir wollen die Welt verstehen und suchen nach Zusammenhängen von Ursache und Wirkung.“ Ob Dürre oder Arbeitslosigkeit: Aberglaube kann ein Bewältigungsmechanismus für den Umgang mit Missgeschicken sein, weiß Gershwin aus seinen Untersuchungen.
Zufall? Unbefriedigend!
Schiesser nennt die quälende Frage nach dem Warum bei einer Krebserkrankung als Beispiel. „Zufall als Erklärung befriedigt kaum jemanden. Wenn aber jemand sagt: ,Das ist, weil du immer so negative Gedanken hast‘ oder ,Die böse Schwiegermutter hat dich verflucht’, scheint das befriedigender. Denn sobald man eine Ursache erkannt zu haben glaubt, kann man etwas tun. Und sei es nur einen Gegenzauber zu versuchen. Es ist unser Bedürfnis, unser Schicksal zu steuern und zu verstehen.“
Unterdessen hat sich Gershman auch gefragt, welche Funktion der Aberglaube in der Gesellschaft hat und welche Kosten er verursacht.
Denn wo der Glaube an Hexerei weit verbreitet ist, herrscht auch ein hohes Maß an Misstrauen unter den Menschen. Die Angst, als Hexe bezeichnet zu werden, übernehme eine Art soziale Kontrollfunktion. Generell seien Menschen in hexengläubigen Ländern weniger glücklich und häufiger pessimistisch, sie hätten häufiger das Gefühl von Kontrollverlust. Und diese Stimmung sei Gift für wirtschaftliche Entwicklung und Innovationen.
Gesellschaften zwischen modernen und traditionellen Lebensformen seien besonders anfällig für Hexengläubigkeit. „Aberglaube und seine Mechanismen verstehen zu wollen, ist einer der Schlüssel zum Verständnis der Gesellschaft“, schreibt Gershman in seiner Arbeit und ist mittlerweile sicher, dass das Faible für das Übernatürliche in allen soziodemografischen Gruppen zu Hause ist, aber Menschen mit höherer Bildung und mit einer sicheren ökonomischen Basis seltener an übernatürliche Kräfte glauben; genauso wie areligiöse Menschen. Religiosität und der Glaube ans Übernatürliche gehen meist Hand in Hand.
Antiwissenschaftlich
Sekten-Expertin Schiesser denkt, dass ein bisschen Neugier auf Übersinnliches kein Problem ist. „Wir alle wären gerne Hogwarts.“ In der Pandemie sei aber auch die Esoterik sichtbarer geworden und man erkannte, „dass diese Szene von Verschwörungstheorien durchdrungen ist, dass man vernetzt ist und antiwissenschaftliche Strömungen sich stark breitmachen. Und wenn zu viele Menschen an dieser Realitätsverweigerung leiden, kriegen wir alle ein Problem.“
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