Warum der Physik-Nobelpreis 2021 eine hochpolitische Auszeichnung ist

Aufmerksamen Lesern ist der Name Syukura Manabe bereits untergekommen: Im Sommer beleuchtete der KURIER in seiner Reihe Geschichte zum Anschauen die „Entdecker des Klimawandels“. Mit dabei: Manabe, der bereits 1967 berechnet hatte, dass eine Verdopplung der CO2-Konzentration eine Erwärmung der Erde um zwei Grad zur Folge hätte.
Ja, dieser Nobelpreis ist ein Statement: Der österreichische Klimaforscher Herbert Formayer nennt den Physik-Nobelpreis eine „Würdigung der ganzen Disziplin Klimamodellierer“. Und ja, er ist auch ein politisches Signal: Das Nobelkomitee schrieb all jenen Entscheidungsträgern, die die Botschaft des Klimawandels immer noch nicht begriffen haben, ins Stammbuch, „dass der Kampf dagegen auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert“.
Syukura Manabe und Klaus Hasselmann hätten im Geiste von Alfred Nobel zum größten Nutzen für die Menschheit beigetragen, indem sie eine solide physikalische Grundlage für unser Wissen über das Erdklima geschaffen haben, begründet das Nobelkomitee: „Wir können nicht mehr sagen, wir hätten es nicht gewusst – die Klimamodelle sind eindeutig. Erwärmt sich die Erde? Ja. Ist die Ursache dafür die erhöhte Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre? Ja. Kann dies allein durch natürliche Faktoren erklärt werden? Nein. Sind die Emissionen der Menschheit der Grund für den Temperaturanstieg? Ja.“
Pioniere
Der Hamburger Forscher Hasselmann und der Japaner Manabe gelten unter Klimaforschern als Ikonen. Der renommierte Kieler Klimaforscher Mojib Latif etwa nennt Hasselmann „Vater der Klimamodelle“. Formayer wiederum ist sicher, dass „Hasselmann und Manabe viel dazu beigetragen haben, dass das Klimaproblem auf die politische Agenda gehoben wurde, da erst durch belastbare Klimamodelle die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels greifbar gemacht wurden. Beide sind eindeutig Pioniere gewesen, ihre Namen sind mir seit dem Studium Anfang der 1990er Jahre vertraut“.
Giorgio Parisi, der dritte im Bunde, hat mit seinen Forschungen zu komplexen Systemen ebenfalls entscheidend zum Verständnis des Erdklimas beigetragen: Er entdeckte versteckte Muster, die hinter scheinbar zufälligen Abläufen liegen. Grundlegende Erkenntnisse erlangte er anhand physikalischer Prozesse innerhalb von Kupfer-Eisen-Legierungen. Später befasste sich Parisi auch mit dem Formationsflug von Staren und der regelmäßigen Wiederkehr von Eiszeiten.
- Syukura Manabe, 90: Im Süden Japans geboren, studierte Manabe in Tokio, ehe er 1958 in die USA ging. Dort forschte er in Princeton und entdeckte, dass ein erhöhter Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre einen Anstieg der Temperatur an der Erdoberfläche zur Folge hat. Seine Arbeiten waren grundlegend für die Entwicklung der gegenwärtigen Klimamodelle.
- Klaus Hasselmann, 89: Der gebürtige Hamburger war am dortigen Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie tätig. Er entwarf ein Modell, das verdeutlichte, dass Klimamodelle verlässlich sein können, obwohl sich das Wetter selbst chaotisch verhält. Hasselmann entwickelte zudem Methoden, die es ermöglichen, Spuren menschlicher Aktivitäten im Klima nachzuweisen.
- Giorgio Parisi, 73: Der Italiener konnte um 1980 versteckte Gesetzmäßigkeiten hinter vermeintlich zufälligen Phänomenen aufdecken. Seine Arbeiten am sogenannten Spin-Glas zählen zu den einflussreichsten im Bereich der Forschung an komplexen Systemen. Parisis Erkenntnisse strahlen auf viele andere Gebiete wie Mathematik, Biologie, Neurowissenschaften oder KI aus.
Übrigens: Es gibt wohl niemanden, der unser Klima bereits so lange beobachtet wie der 90-jährige „Suki“ Manabe. Vielleicht wäre es an der Zeit, auf ihn zu hören: „Wenn ich darauf zurückschaue, wie das Klima sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat und wie die Modelle diese Veränderungen eingefangen haben, dann können wir über die nach vorne schauenden Projektionen sehr sicher sein“. Ja, es sei schwer, zu sagen, ab welcher Temperatur die Veränderung gefährlich werde, bestimmt aber, sobald sie zwei Grad überschreite: „Je weniger das Klima sich verändert, desto besser ist es für uns.“
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