„Wenn Nutzen bedeutet, dass ein Mensch positive Gefühle beim Helfen entwickelt, dann schwingt da natürlich auch ein gewisser Selbstzweck mit. Problematisch ist das aber nicht, weil ja eine Win-Win-Situation kreiert wird: Ich helfe anderen, das fühlt sich gut an. Die Bereitschaft, großzügig zu sein, kann sich damit verstärken.“
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Fragwürdig wird prosoziales Verhalten wie Großzügigkeit aus Sicht des Neuropsychologen vor allem dann, wenn es nur mehr darum geht, sich damit zu zelebrieren und gut zu fühlen oder sich auf ein Podest zu stellen, wie es bei manchen Wohltätigkeitsveranstaltungen üblich sei.
„Natürlich könnte man sagen, egal, soll doch die gut betuchte Gesellschaft ihren Spaß haben, Hauptsache, die Kasse klingelt. Eine Frage der Moral und Ethik. Als Psychologe gebe ich aber zu bedenken, dass dieser rein ökonomische Zugang im Einzelfall zwar wirken mag, aber wenig nachhaltig bleibt. Und zwar insbesondere dann, wenn sich Menschen durch Spenden gute Gefühle erkaufen oder sich reinwaschen wollen.“
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Ein System, in dem Menschen nur deshalb spenden, weil es andere großartig finden oder um sich selbst angenehme Gefühle zu bescheren, sei brüchig. „Wenn aufgrund von Krisen der Trend zur Spendenbereitschaft womöglich kollabiert, ist es mit dem Großzügigkeitsverhalten schnell wieder vorbei. Dann heißt es: Von guten Gefühlen kann ich mir nichts kaufen“, sagt Lamm. Werden Hilfsbedürftige hingegen aus einer intrinsischen Motivation heraus unterstützt, würde das Spendenverhalten unter Belastung weniger schnell kollabieren, es ist krisenresistenter, so Lamm.
Spendenbereitschaft ist auch eine Frage der Erziehung
Reputation bleibt trotzdem ein Motor für prosoziales Verhalten. Zumal den Menschen von der Evolution zweierlei Haltungen als Grundausstattung mitgegeben wurden: Altruismus und Egoismus. Welche davon ausgeprägter ist, hängt auch vom Umfeld ab, soziales Verhalten wird gelernt und entwickelt. „Erziehung und ein entsprechendes gesellschaftliches Umfeld können die altruistische Seite von Menschen fördern“, sagt Lamm.
So betrachtet seien vorweihnachtliche Spendenaktionen als eine alljährlich stattfindende Form ritualisierter altruistischer Unterstützung zu verstehen. „Spendenbereitschaft auf diese Weise zu kanalisieren und ihr einen entsprechenden Rahmen zu geben, macht es für Menschen einfacher, zu spenden“, erklärt Lamm. Besser machen könnte man es natürlich immer: Indem man nicht nur zu Weihnachten spendet, sondern einen Dauerauftrag macht, wird Großzügigkeit zu einer Grundhaltung, die man nicht mehr hinterfragt.
Beim Schenken kommt hingegen ein weiterer Faktor dazu, gibt der Neuropsychologe noch zu bedenken: „Es ist wechselseitig: Ich gebe dir was, du gibst mir was. Schenken kann zwar auch altruistisch motiviert sein, fungiert aber eher als sozialer Kitt in Familien oder unter Freunden. Schenken oder beschenkt werden kann als Statement verstanden werden, im Sinne eines: Du gehörst zu mir.“
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