Wenn wütende Männer Frauentränen riechen, regen sie sich ab

Einer Frau rinnt eine Träne über das Gesicht.
Weibliche Tränen dürften ein chemisches Signal enthalten, das die Aggression von Männern hemmt, zeigt eine neue Studie aus Israel.

Wenn männliche Nagetiere den Tränen ihrer weiblichen Artgenossen ausgesetzt sind, blockiert das ihr Aggressionspotenzial. Diese sozialbiologische Spielart aus der Tierwelt ist in Fachkreisen seit geraumer Zeit bekannt. Die Nager nehmen offenbar in den Tränen enthalten Chemosignale auf, was infolge ihr Verhalten beeinflusst. 

Das könnte auch beim Menschen so sein, legt eine neue Studie nahe. Am israelischen Weizmann Institute of Science konnte man nun nämlich zeigen, dass auch Menschen diese Chemosignale aufnehmen können. Das bleibt nicht ohne Effekt: So führte das Schnüffeln an Tränen in Aggressionsarealen im Gehirn zu einer verringerten Aktivität. Was in den Experimenten auch ein abgeschwächtes aggressives Verhalten bedingte. Publiziert wurde die Studie im renommierten Fachblatt PLOS Biology.

Experimente mit Tränen und wütenden Männern

Um diesen Nachweis zu erbringen, entwarf man ein durchaus spannendes Experiment. Die Forschungsgruppe setzte eine Gruppe von 31 Männern entweder den Tränen von Frauen oder Kochsalzlösung aus. Zur Tränengewinnung bat man sechs Frauen, die eigenen Angaben zufolge besonders nah am Wasser gebaut waren, zu rührseligen Filmvorführungen. Die Männer wussten nicht, ob sie vor dem Spiel geruchloses Tränenaroma oder Kochsalzlösung vorgesetzt bekamen.

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Infolge absolvierten sie ein Spiel gegen einen Kontrahenten. Besagtes Spiel war so konzipiert, die männlichen Probanden glauben zu lassen, ihr Gegner würde schummeln. Und sie so richtig wütend zu machen. Man eröffnete ihnen auch spielerische Rachemöglichkeiten, um ihren Frust abzulassen. 

Es zeigte sich tatsächlich: Rachsüchtiges, aggressives Verhalten während des Spiels ging um mehr als 40 Prozent zurück, nachdem die Männer Frauentränen geschnüffelt hatten. Ein beeindruckendes Ergebnis, wie Studienhauptautor und Neurobiologe Noam Sobel erklärt. "Eine 40-prozentige Reduktion ist nicht typisch für Laborbedingungen."

Blick ins Gehirn offenbart Veränderungen

Schließlich wiederholte man das Experiment – und schickte die Probanden in einem MRT-Scanner. Mit dem bildgebenden Verfahren konnte nachgewiesen werden, dass zwei mit Aggression zusammenhängende Hirnregionen aktiver wurden, wenn die Männer während des Spiels provoziert wurden, aber in den gleichen Situationen nicht so aktiv erschienen, wenn sie davor an den Tränen schnupperten. Und: Je größer der Unterschied in der Hirnaktivität, desto seltener rächte sich der Spieler während des Spiels.

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In einem weiteren Versuch ging das Team der Frage nach, wie der menschliche Körper die Tränensignale erkennt und verarbeitet. Die Forschenden testeten 62 verschiedene menschliche Geruchsrezeptoren – die Proteine, die für die Wahrnehmung von Gerüchen zuständig sind. Ziel war, herauszufinden, ob einer dieser Rezeptoren spezifisch auf die gesammelten Tränen reagierte.

Menschliche Nase kann Tränen riechen

Diesmal stellten die Forschenden fest, dass vier der 62 Rezeptoren auf die Tränen reagierten, aber nicht auf die Salzlösung. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass bestimmte Rezeptoren in der menschlichen Nase in der Lage sind, Signale aus Tränen zu destillieren, auch wenn die Tränen selbst keinen wahrnehmbaren Geruch haben

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Die Entdeckung dieses Zusammenhangs zwischen Tränen, Hirnaktivität und aggressivem Verhalten deutet darauf hin, dass Chemosignale in menschliche Tränen eine wichtige Rolle bei sozialen Interaktionen spielen könnten, insbesondere beim Abbau von Aggressionen, und nicht nur eine Kuriosität aus dem Tierreich sind.

Künftig will das israelische Forschungsteam sich der Frage widmen, welche Moleküle in den Tränen die Wirkung genau auslösen. Und verzerrende Faktoren der aktuellen Studie – etwa die Stresssituation im MRT-Scanner oder die rein männliche Probandengruppe – abbauen.

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