Laut Howe ist es wichtig, dass der Absender der Kritik trotz aller Anschuldigungen Interesse an der kritisierten Person oder Gruppe ausdrückt. Das würde eher dazu beitragen, dass die Kritisierten die Forderungen anerkennen. Sie nehmen sich die Kritik eher zu Herzen, wenn sie nicht nur getadelt werden, sondern auch Verständnis für die Probleme gezeigt wird, mit denen sie konfrontiert wind.
Die Forschenden folgern, dass Botschaften mit doppelter Besorgnis effektiver sind: Sie vermitteln, dass der Kritisierende die Kritisierten weiterhin für moralisch hält und sich um ihr Wohlergehen sorgt.
Experiment mit politischen Gruppen
In einem der Experimente stimmten Liberale oder Konservative in den Vereinigten Staaten einem CEO um 6,6 Prozent eher zu, wenn er sich in einem Artikel kritisch über ihre Partei äußerte und gleichzeitig einräumte, dass ihre politische Gruppierung oft von anderen verspottet oder ignoriert werde. Zudem waren die Kritisierten um 7,1 Prozent eher bereit, das Unternehmen des CEOs nicht zu boykottieren.
Die Forschenden testeten diese Idee auch bei Kampagnen: Den Studienteilnehmenden wurde ein Plakat gezeigt, das für den Abbau von Vorurteilen gegenüber einer Gruppe plädierte, mit der die Probanden persönlich nicht einverstanden waren – ob Liberale oder Konservative, Christen oder Atheisten, ältere Menschen oder Millennials. 8,6 Prozent mehr Teilnehmende stimmten den Aussagen zu, dass diese spezifische Gruppe unfairen Vorurteilen ausgesetzt ist, wenn auf dem Plakat generell auf Vorurteile gegenüber anderen Gruppen hingewiesen wurde.
Kritisierende sorgen sich vielleicht mehr, als man denkt
In einem weiteren Experiment sagten 87,3 Prozent der Liberalen, die der Meinung waren, dass die Konservativen Amerika schaden, dass "die Konservativen, wie jeder andere auch, eine Stimme verdienen und dass ihre Anliegen gehört werden sollten": "Wir sollten uns um die Konservativen kümmern." Ebenso stimmten 83,9 Prozent der Konservativen, die den Liberalen kritisch gegenüberstanden, dieser Aussage zu. Die Konservativen selbst schätzten jedoch, dass nur 40,8 Prozent der kritischen Liberalen zustimmen würden (Liberale 35,3 Prozent). Somit hatten die Mitglieder beider politischen Parteien die Sorge der ideologischen Gegner ihnen gegenüber um die Hälfte unterschätzt.
Lernen, mit Vorsicht zu kritisieren
"Menschen, die kritische Botschaften übermitteln, können besser überzeugen, wenn sie Kritik mit Bedacht äußern", so fasst Howe die wichtigste Lehre aus der Studie zusammen. "Wenn Kritisierende auf ein Fehlverhalten hinweisen, sollen sie daran denken: Vor welchen Herausforderungen steht die Gruppe, die sie angreifen wollen?"
Die Kritisierenden sollten dann signalisieren, dass sie sich um sie sorgen – aber einfach ein bestimmtes Verhalten nicht goutieren. Wenn Menschen ihre Stimme erheben, um eine Gruppe für die Schädigung einer anderen Gruppe im Dienste des sozialen Wandels zu kritisieren, sind ihre Argumente überzeugender, wenn sie die Sorge um die Kritisierten betonen.
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