Schule: Lehrer können auch auf Distanz eine Beziehung aufbauen
Die Unsicherheit vieler Kinder ist spürbar. Direktorin Christine Höller erlebt das an ihrem Standort, der Mittelschule Vöcklabruck, jeden Tag. „Das Lernen wird für die Schüler in so einer Situation schwieriger.“ Und das wird sich aufgrund der Corona-Pandemie auch nicht so schnell ändern.
Wie man aus Schule dennoch Vertrauen schafft und die Beziehungen zu den Kindern aufrechterhält, ist am kommenden Samstag, 7. November, Thema bei der Online-Tagung der Initiative „Schule im Aufbruch“. Titel: „Lösungen finden, Chancen nutzen“.
Die beste Strategie sei das Reden, ist Höller überzeugt: „Dort, wo sich Lehrer intensiv mit ihren Schülern beschäftigen, haben diese auch Vertrauen – in die Pädagogen und in die Schule. Zum Glück habe ich Lehrerinnen und Lehrer, die sehr für ihre Aufgabe brennen und deshalb einen guten Draht zu den Schülern haben.“
Beziehung aufbauen
Es geht also um Beziehung. „Fehlt diese, ist das Lernen nicht so nachhaltig“, sagt auch die Pädagogin Ingrid Teufel, die in der Lehrerfortbildung arbeitet. Sie stellt fest: „Beziehungen kann man auch pflegen, wenn man nicht in einem Klassenzimmer sitzt, indem man etwa Einzelgespräche über Skype macht.“
Dabei ist Gespräch nicht gleich Gespräch. Es kommt auf die Haltung und die Einstellung an, die eine Lehrperson gegenüber dem Kind hat. „Das kennt jeder doch aus seiner eigenen Schulzeit“, erläutert Teufel: „Da gibt es zum Beispiel den Mathematiklehrer, vor dem ich Angst hatte, weil er mir ständig das Gefühl vermittelte, dass ich zu dumm für das Fach bin. Die Folgen: Sobald ich Mathematik machen muss, habe ich ein negatives Gefühl im Bauch und kann das Gelernte nicht so gut abrufen. Ich vermeide also, Mathematik zu lernen und werde immer schlechter. Es ist ein Teufelskreis.“
Nachhaltiges Lernen
Lernen ist nämlich nur dann nachhaltig, wenn es mit positiven Emotionen verbunden ist. „Was im Negativen gilt, gilt auch im Positiven. Die Situation, in der ich lerne, wird mitgespeichert“, weiß Pädagogin Teufel. „Wir kennen ja alle die Lehrer, die mit Begeisterung und Wertschätzung ihren Stoff vermittelt haben. Plötzlich war das, was vorher langweilig war, interessant.“
Für den Unterricht heißt das: Fehlt die Beziehung, so geht der Stoff, den die Lehrkraft vermittelt, so schnell aus dem einen Ohr raus, wie es ins andere reingekommen ist. „Nur wenn mich ein Thema wirklich interessiert, gelangt es ins Kurzzeitgedächtnis. Damit es aber nachhaltig hängen bleibt, muss man den Stoff wiederholen, und zwar in verschiedenen Kontexten“, sagt Ingrid Teufel.
Eine gute Beziehung zum Kind entstehe allerdings nicht, indem man alles lobt, was es tut: „Es geht um ein ehrliches, aber ermutigendes Feedback. Der Pädagoge, die Pädagogin vermittelt dem Kind, was ihm schon gelingt und was noch nicht – und hilft, den nächsten Schritt zu schaffen.“
Auch auf Distanz
Es ist also fast egal, ob es eine Beziehung im Klassenzimmer oder auf Distanz ist: „Es geht dabei nicht nur darum, dass Lehrerende mit Herz und Hirn bei der Sache sind, sondern auch um Körperhaltung und empathische Zuwendung“, ist Teufel überzeugt.
Was sie sich noch von den Pädagogen in der Krise wünscht: „Alle sollten sich Zeit für Beziehungsarbeit und soziales Lernen nehmen. Sie sollten Kindern vermitteln, wie man konstruktiv mit Angst umgeht und sich bemühen, Zuversicht zu verbreiten. Sie könnten die Schüler zum Beispiel auffordern, sich zu überlegen, welchen Beitrag sie selbst leisten können, damit sich Freunde, Eltern oder Verwandte besser fühlen können?“ Aktiv etwas zur Verbesserung der Situation beitragen zu können, helfe Kindern.
Zu wenig Ressourcen
Allerdings, so gibt Direktorin Höller zu bedenken, brauche es ausreichend Zeit, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen. Gerade dort, wo Schüler von zu Hause nicht die Unterstützung haben, könnte die Schule helfen. „Doch das wird uns im Moment nicht einfach gemacht. In Oberösterreich dürfen derzeit keine Betreuungslehrer in die Schulen kommen. Und ich selbst bin so mit Bürokratie eingedeckt, dass ich mich nicht um die Kinder kümmern kann, obwohl ich das gerne würde. Eine administrative Hilfskraft wäre hier eine riesige Unterstützung“, stellt die Direktorin fest.
Einiges kann und will die Direktorin doch tun: „Weil die Kinder aufgrund der angespannten Situation oft unkonzentriert sind, machen die Lehrerinnen und Lehrer in den Sportstunden Übungen wie zum Beispiel Yoga. Und im Klassenverband versuchen sie, Gemeinschaftserlebnisse zu schaffen.“
Kommentare