Schlaue Krähen planen für die Zukunft
Stöckchen, Haken, Stein oder ein Stück Apfel? Den vier Krähenmädchen fiel die Wahl nicht allzu schwer. Zielsicher entschieden sich die wilden Überfliegerinnen für das richtige Werkzeug. Das Obst verschmähten sie als mindere Alternative zum begehrten Fleischhäppchen. Das lag unerreichbar für den Schnabel in einer Apparatur, die es später mit einem der angebotenen Hilfsmittel zu öffnen galt. Eine kognitive Herausforderung für die Vögel.
Mitten im Pazifik auf der Inselgruppe Neukaledonien leben die Schlausten unter den Schlauen: Geradschnabelkrähen zählen zu den Intelligenzbestien im Reich der wilden Tiere. Nun haben Wissenschaftler um den österreichischen Kognitionsbiologen Markus Böckle bestätigt, dass Corvus moneduloides vorausschauend planen kann. Selbst Skeptiker erkennen jetzt an, dass die Rabenvögel Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verknüpfen können.
Technische Finesse abverlangt
Für ihr Experiment fingen die Forscher der Universität Cambridge neun Tiere in den Wäldern der französischen Überseegemeinschaft. Fünf Krähen kamen über die Trainingsphase nicht hinaus. Vor allem männliche Senioren scheiterten beim Verstehen der technischen Finessen. Die anderen lernten, dass sich der Leckerbissen mit dem Stöckchen aus einer Plexiglas-Röhre schieben lässt; dass der Holzhaken ein Türchen entriegelt; dass der eingeworfene Stein eine Plattform in Bewegung setzt und das Futter Richtung Öffnung schiebt.
Richtige Werkzeugwahl
„Wir haben unser Experiment so aufgebaut, dass allen Kritikpunkten an vorhergehenden Studien genüge getan war“, sagt Böckle. Jedem geschulten Versuchskaninchen aus freier Wildbahn wurde also zunächst eine Apparatur gezeigt. Fünf Minuten später bekam die Krähe drei Werkzeuge, das Leckerli sowie einen unbrauchbaren Ball zur Ablenkung angeboten. Sobald sie ein Ding genommen hatte, verschwanden die anderen. Weitere fünf Minuten später durfte die gefiederte Probandin wieder zurück in den Raum mit dem Apparat. Fazit: Ein Individuum traf in neun von zehn Fällen die richtige Werkzeugwahl, zwei Artgenossinnen erzielten eine Trefferquote von 70 Prozent.
Zwei Denkrichtungen
„Die Ergebnisse waren insofern spannend, als wir damit starke Kritiker überzeugen konnten“, sagt der Experte. Tatsächlich treffen in der wissenschaftlichen Diskussion um die Intelligenz von Tieren zwei Lager aufeinander. Die einen schreiben Spitzenleistungen den Genen zu; angeborene Fähigkeiten beflügeln zu großen Taten. Die anderen sind von der Lernfähigkeit und flexiblen Problemlösungen dank Hirnschmalzes überzeugt.
Hochintelligente Krähen
„Unsere Geradschnabelkrähen haben gezeigt, dass sie hochintelligent sind. Sie können sich sehr schnell an neue Aufgaben anpassen“, sagt Böckle. Spinnen etwa, die mit ihrem Netz ein Werkzeug herstellen, können da nicht mithalten. Ihre Lebensversicherung ist „nur“ ein tolles Produkt Jahrtausende langer Evolution. Die jetzt bewiesene Vorausplanung der Vögel dagegen verlangt Köpfchen.
Kognitiv leistungsstarke Evolution
Bisher wurde solch spezielle Planungsfähigkeit allein dem Menschen zugeschrieben. Da der letzte gemeinsame Verwandte von Tier und Mensch vor 300 Millionen Jahren lebte, muss sich dieses kognitive Vermögen mindestens zwei Mal unabhängig voneinander entwickelt haben. Mindestens. Denn auch unter anderen Säugetieren gibt es Hochbegabte: „Affen, Delfine und Wale sind sehr intelligent. Mit Forschungen über den Oktopus fangen wir gerade an“, sagt Markus Böckle und ist überzeugt: „Es werden uns noch ein paar Arten überraschen.“
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