Rekorde: Wie weit Tiere für bessere Lebensbedingungen wandern
Küstenseeschwalben sind Sonnenanbeter. Weil sie aus der Luft nach kleinen Fischen und Krebsen jagen, sind sie auf gute Sichtverhältnisse angewiesen. Finstere Polarnächte können sie für den Suchflug über dem Eismeer nicht brauchen. So verlassen die Möwenverwandten alljährlich ihre Brutgebiete um den Nordpol, um den Winter am Südpol bei blauem Himmel und mit freiem Blick auf reichlich Beute zu verbringen. Mittlerweile sind auch die Jungvögel zu ihrer Weltreise aufgebrochen.
„Küstenseeschwalben sind mit 30.000 Kilometern pro Richtung die absoluten Rekordhalter“, sagt Biologe Andreas Hantschk. Der Pädagoge im Naturhistorischen Museum Wien weiß, welche Tierarten für ein besseres Leben besonders weite Entfernungen zurücklegen, und wie sie das tun.
Zwei Drittel aller Vogelarten, darunter eben genannte Sterna paradisaea, zählen zu den Zugvögeln; mehr als die Hälfte davon sind Langstreckenzieher. Wespenbussard und Wiedehopf etwa starten in Österreich. Weißstörche ebenso. Die Adebare orientieren sich bei ihren Tagesetappen am Stand der Sonne. Überflieger, die in der Nacht unterwegs sind, richten ihren inneren Kompass nach den Sternen aus. Die Gene helfen ihnen dabei. Auch die Ausrichtung bzw. Stärke des Erdmagnetfelds, einprägsame Marken entlang der Route oder Gerüche leiten die Migranten.
„Tiere nehmen gefährliche Wanderschaften auf sich für ein besseres Nahrungsangebot, um der Konkurrenz auszuweichen oder wegen optimaler Brutbedingungen“, zählt Hantschk Beweggründe auf. Pinguine etwa legen ihr Ei in eisiger Kälte, weil sich dort keine Ei-Räuber herumtreiben. Für diese Sicherheit hungern sie über Monate.
Doch nicht nur Vögel lockt es in die Ferne. Erst kürzlich konnten Wissenschafter nachweisen, dass ein Grauwalbulle aus dem Nordpazifik vor der Küste Namibias auftauchte. Der Turboschwimmer schaffte mit 27.000 Kilometern eine halbe Erdumrundung – und damit Platz 1 unter den marinen Wirbeltieren. Eine DNA-Analyse hier – in Alaska – wie dort – in Afrika – bestätigte eindeutig die Identität des Riesen.
Jetzt wird vermutet, dass das rapide Abschmelzen des Meereises den Grauwal dazu verleitete, neue Gebiete zu erkunden. Der Streckenrekord einer Lederschildkröte, die laut Aufzeichnungen knapp 20.500 Kilometer durch den Pazifik paddelte, ist mit der Leistung des Meeressäugers jedenfalls gebrochen.
„Ganz bekannte Wanderbeispiele gibt es bei Fischen“, bleibt der Zoologe beim Wasser und nennt Lachs und Aal. Während Lachse im Süßwasser schlüpfen, im Salzwasser leben und sich zum Laichen zurück an den Ort ihrer Entstehung kämpfen, ist das bei den Aalen umgekehrt: Sie schlüpfen im Atlantik, wandern Süßwasserflüsse hoch und kehren am Ende ihres Lebens wieder in den Atlantik zurück. Einmal mehr motiviert die sichere, sättigende Versorgung der Jungtiere die Eltern zu diesem Kraftakt.
In die Tiefe
„Im Wasser gibt es auch Vertikalwanderungen“, sagt Hantschk. Wasserflöhe etwa folgen Algen, die bis zu 18 Meter in die Tiefe sinken, um bei Sonnenschein wieder an die Oberfläche zu steigen. Büschelmückenlarven wiederum treiben dank zweier Schwimmblasen auf und ab.
Apropos Insekten: In Kürze brechen mehrere 100 Millionen Monarchfalter zu einer Gruppenreise auf. Die Schmetterlinge verlassen Ende September die USA, um sich bis zu 4000 Kilometer weiter südlich in Mexiko niederzulassen. Dort genießen sie die Sonne.
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