Nobelpreisträger Zeilinger: „Ich wollte nie Mainstream machen"
Mit einem hartnäckigen Gerücht zu seiner Person räumte Anton Zeilinger bei der gestrigen Pressekonferenz an der Fakultät für Physik der Uni Wien gleich einmal auf. Ob es denn stimme, dass er am Morgen jeder Nobelpreis-Bekanntgabe „vorsorglich“ zum Friseur gehe, lautete eine Frage. Zeilinger verneinte – er war zuletzt vor drei Wochen dort gewesen.
Seiner Freude tat dies freilich keinen Abbruch, als ihn am Dienstagvormittag der Anruf aus Schweden erreichte. Fast hätte Zeilinger nicht abgehoben, weil er hoch konzentriert in seinem Arbeitszimmer an einem Paper saß und „seine Ruhe“ haben wollte, wie er erzählte.
Neugier als Antrieb
Hochkomplexe Zusammenhänge verständlich zu erklären – diese Fähigkeit machte den neuen Nobelpreisträger zu einem der populärsten Forscher des Landes. Die Grundlagen für sein Wissen hat sich der 77-Jährige, der schon als Kind aus Neugierde die Puppen seiner Schwester zerlegte, in seinem Studium der Physik und Mathematik an der Universität Wien angeeignet.
Allerdings besuchte er dort keine einzige Vorlesung über Quantenphysik, sondern vertiefte sich in seiner Freizeit in Fachbücher. „Und das hat mich sofort fasziniert, weil die Quantenphysik von unglaublich schöner Mathematik ist“, sagte er der APA anlässlich seines 75. Geburtstages vor zwei Jahren.
Zeilinger wurde 1945 in Ried im Innkreis geboren, übersiedelte aber schon früh mit seiner Familie nach Wien, wo sein Vater an der Boku Milchwirtschaft, Molkereiwesen und landwirtschaftliche Mikrobiologie lehrte.
Wissenschaft genoss in der Familie Zeilinger ein hohes Ansehen, auch sein Physiklehrer am Gymnasium Fichtnergasse in Hietzing habe seine Faszination für Naturwissenschaften bestärkt. Zeilinger galt stets als Verfechter einer humanistischen Bildung.
Mr. Beam liebt Jazz
Seine Doktorarbeit schrieb Zeilinger am Atominstitut bei Helmut Rauch, dem „Urvater der Quantenoptik in Österreich“ („ein Riesenglück“), wo er nach der Promotion 1971 als Assistent arbeitete. In diese Zeit fielen auch erste Forschungsaufenthalte im Ausland, u. a. am Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei dem späteren Nobelpreisträger Clifford G. Shull (1994).
1997 gelang Zeilinger erstmals die Teleportation von Lichtteilchen. Auch wenn es dabei nicht wie in der Science-Fiction-Serie „Star Trek“ um Fernübertragung von Materie – sondern um Information – geht, brachte ihm sein Spezialgebiet den Spitznamen „Mr. Beam“ ein. Er selbst vermeidet solche Begriffe, hatte aber auch kein Problem damit; das Interesse der Öffentlichkeit war ihm und seiner Arbeit damit sicher.
Zum gefeierten „Popstar der Naturwissenschaft“ wurde er nicht zuletzt durch sein äußeres Erscheinungsbild, das mit ergrautem Rauschebart und krausem Haar ganz dem Klischee des „verrückten Professors“ entspricht.
Berufswunsch: Astronaut
Neben der Physik spielt Musik eine große Rolle im Leben des verheirateten Familienvaters (Anna *1974, Anton *1977, Matthias *1981). Er ist Cellist, liebt Jazz und Klassik. Als Kind wollte er Astronaut werden, sagte Zeilinger einmal in einem Interview. Selbst schaffte er es nicht ins All – dafür ist sein Name schon lange dort angekommen: Anlässlich seines 60. Geburtstags wurde ein Asteroid nach ihm benannt.
Seine Begeisterung für sein Fachgebiet ist in all den Jahren nie abgeebbt. Er wollte „nie Mainstream machen“, sagte Zeilinger, „und sobald etwas Mainstream war, habe ich gesagt: Aus, wir machen wieder etwas anderes.“
Die Teleportation habe ihn von Anfang an völlig verblüfft. „Und es haut mich heute noch von den Socken.“
Glück gehabt
Er habe "das Glück gehabt", dass seine Forschungsarbeit vor Jahrzehnten finanziert worden sei, sagte der frisch gebackene Nobelpreisträger am Dienstagabend in der "ZiB 2": "Ich konnte einen Antrag stellen, obwohl ich ein Niemand war und relativ viel Geld bekommen." Das sei nicht selbstverständlich, ginge aber heute auch: "Wenn jemand mit einer wirklich guten Idee daher kommt." Davon sei er "100-prozentig überzeugt".
Man müsse ständig kämpfen und die Politik daran erinnern, Grundlagenforschung zu unterstützen: "Wenn du etwas wirklich Interessantes willst, das auch einen technologischen Durchbruch ermöglicht, musst du Grundlagenforschung unterstützen". Wissenschaftsfeindlichkeit sehe er hierzulande als Problem, das auch daran liege "dass Wissenschaftsjournalismus reduziert wurde", so Zeilinger, der auch erklärte, wie man Schülerinnen und Schüler für das Fach Physik begeistern könne: "Es geht darum, Begeisterung weiterzugeben", betonte der Wissenschafter, "die Inhalte sind dann schon wieder sekundär." Begeisterung und Neugier seien das Wichtigste.
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