Entschlossenes Handeln, klar. Aber wie, wenn man so wenig weiß? Wissen ist doch, wie Sie schreiben, unverzichtbare Basis für Hoffnung.
Ja, echte Hoffnung basiert auf Wissen, nicht auf naivem Wunschdenken. Der Unterschied zwischen Klimaproblem und Viruskrise liegt bei der Komplexität und beim Zeithorizont: Das Virus bedroht kurzfristig Leib und Leben, das Klimadesaster ist ein langfristiges Problem und betrifft nahezu alle Bereiche unseres Lebens.
Auch vor der derzeitigen Situation wurde von Forschern mehrfach gewarnt. Agieren wir immer erst, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht?
Der britische Philosoph Terry Eagleton hat einmal geschrieben: „Wahre Hoffnung brauchen wir, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, was von Optimisten allerdings meist geleugnet wird.“ Das ist der Punkt: Naiver Optimismus löst kein Handeln aus. Hoffnung tut genau das: Sie lässt Menschen agieren, weil sie mit der Lage der Dinge unzufrieden sind und sich eine bessere Zukunft vorstellen können. Deshalb ist das Wissen so wichtig. Mit Blick auf den Umgang mit Corona bedeutet das übrigens auch, dass wir eine kritische Diskussion darüber brauchen, ob mit der Lage angemessen umgegangen wurde.
Wie beurteilen Sie es als Ökonom, wenn wirtschaftliche Interessen mit gesundheitlichen in Konkurrenz geraten?
Ich sehe mit großer Sorge, dass Hinweisen auf die ökonomische Dimension der Krise der Geruch der Menschenfeindlichkeit angeheftet wird. So grausam das ist: Die Gesellschaft kann gar nicht anders, als in einer Krisensituation zwischen unterschiedlichen Zielen abzuwägen und dann Entscheidungen zu treffen. Es ist nun einmal so, dass gewisse gesundheitspolitisch begründete Maßnahmen massive negative Wirkungen für viele Menschen haben. Das kann man unerfreulich finden. Aber das Ignorieren dieser Zwangssituation ist fatal. Wer Verantwortung für das Gemeinwesen hat, muss sich auf unerfreuliche Abwägungsprozesse einlassen. Wer sich dieser Aufgabe verweigert, sollte sich einen anderen Job suchen.
Jetzt einmal ganz unwissenschaftlich: Die Dimensionen dieser Pandemie sind beängstigend. Brauchen wir ein Wunder?
Wir brauchen vor allem politische Entscheidungsträger, die nicht nur auf Naturwissenschafter hören, sondern auch die Expertise aus anderen Feldern berücksichtigen. Vielleicht wäre es ein Wunder, wenn wir aus der Krise etwas Gutes machen. Die Geschichte zeigt: Politische Wunder gibt es immer wieder, denken Sie an den Fall des Eisernen Vorhangs. Auf Wunder darf man aber nicht warten – man muss daran arbeiten. Beispiel: Rasche medizinische Hilfe wird es nur geben, wenn intensiv geforscht wird.
Manche sehen in dieser Krise die Chance, dass sich danach vieles zum Positiven ändern könnte: Mehr Regionalität, weniger Verkehr, die Besinnung auf bisher unmöglich Geglaubtes wie Grundeinkommen für alle. Manche wollen sogar ein gesellschaftliches Zusammenrücken trotz Social Distancing erkennen. Ist die Hoffnung, dass die Welt besser, geläutert da wieder rauskommt, berechtigt?
Ich finde es faszinierend und bedrückend, wie sich jetzt manche Leute die Nach-Krisengesellschaft als Paradies von Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und Entschleunigung zusammenfantasieren. Die Hoffnung, dass bald alles anders und besser sein wird, könnte sich rasch als falsche Hoffnung erweisen. Mit Blick auf das Wissen über den Menschen und über wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge muss man sagen: Ein Prozess der grundlegenden Veränderung hin zum Besseren erfordert intensive Diskussionen und gesellschaftliche Auseinandersetzungen. Hoffnung auf Verbesserung kann dabei Energien freisetzen, die eine bessere Zukunft wahrscheinlicher machen.
Wie wichtig ist es eigentlich für die Gesellschaft insgesamt, dass der Einzelne die Hoffnung nicht verliert?
Die Gesellschaft verbessert sich nur dann, wenn es Akteurinnen und Akteure gibt, die sich von der Hoffnung auf eine gute Zukunft zum Handeln motivieren lassen. Die Abschaffung der Sklaverei und die Einführung des Frauenwahlrechts sind dafür historische Beispiele. Sie zeigen aber auch: Hoffnung auf Verbesserung muss mit Widerstand rechnen. Aktuell werden viele junge Leute von der Sorge um ihre Zukunft und der Hoffnung auf eine klimaverträgliche Gesellschaft getrieben. Noch vor drei Monaten war dieses Anliegen in Österreich und Europa eine Top-Priorität. Das darf nicht vergessen werden.
Persönliche Frage: Haben Sie schon einmal die Hoffnung verloren?
Ja, und das war natürlich schrecklich. Aber meine Hoffnungslosigkeit war nie von Dauer – was vielleicht eine Überlebensfrage ist. Zurzeit droht mir allabendlich der Verlust der Hoffnung, wenn ich die ZiB1 schaue. Da fehlt mir wirklich das kritische Hinterfragen mancher Dinge. Ich kann diese Sendung derzeit als seriöses Nachrichtenformat nicht ernst nehmen. Auch das muss man nach der Krise offen diskutieren. Wie überhaupt vieles, was in dieser Zeit geschieht, offen hinterfragt werden muss. Wenn uns das gelingt, habe ich Hoffnung für eine offene Gesellschaft, die aus Fehlern lernt und an einer guten Zukunft baut. Wenn kritische Rückfragen als „dumm“ abgekanzelt werden, haben wir allerdings ein ernstes Problem.
Info: Fred Luks: „Hoffnung. Über Wandel, Wissen und politische Wunder“, erschienen im Metropolis Verlag
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