Nach der Mittelschule in die höhere Schule? Keine Seltenheit

Nach der Mittelschule in die höhere Schule? Keine Seltenheit
40 Prozent der Wiener Mittelschüler wechseln in eine maturaführende Schule.

Die Neue Mittelschule ist keine Sackgasse. Allerdings schaffen Kinder aus Akademikerfamilien eher den Übergang in eine Schule, die zur Matura führt, als Kinder, deren Eltern Pflichtschulabsolventen sind. So könnte man die Ergebnisse einer Studie von Soziologen der Uni Wien zusammenfassen. Jörg Flecker und Ona Valls Cassas sind nämlich in ihrem Forschungsprojekt „Wege in die Zukunft - Längsschnittstudie über die Vergesellschaftung junger Menschen in Wien“ der Frage nachgegangen, wie sich die Übergänge nach der Mittelschule gestalten. Sie wollten insbesondere wissen, ob dabei die Schulnoten oder das Elternhaus einen stärkeren Einfluss darauf haben, wie es ab der 9. Schulstufe weitergeht.

Bekanntlich werden in Österreich die Kinder im internationalen Vergleich schon früh getrennt, nämlich nach der Volksschule. „Doch diese Entscheidung kann man am Ende der Mittelschule korrigieren, indem man in eine Schule wechselt, die zur Matura führt“, erläutert Flecker. 

Doch wer nutzt diese Möglichkeit? Das haben die Forscherinnen und Forscher junge Menschen, die eine NMS besuchen, ab dem Jahr 2017 jährlich gefragt. „Wir haben dabei festgestellt, dass ein hoher Anteil der Schülerinnen und Schüler in den Mittelschulen sich hohe Bildungsziele setzt, etwa die Hälfte will später studieren“, stellt er fest.

40 Prozent Richtung Matura

Immerhin haben im Jahr 2021 drei Jahre nach dem Mittelschul-Abschluss 40 Prozent der Befragten eine maturaführende Schule besucht und damit einen Bildungsaufstieg geschafft (31 Prozent BHS, 11 Prozent AHS). Allerdings waren das vor allem Kinder von Eltern mit Hochschulabschlüssen, die nach der Volksschule nicht in einem Gymnasium aufgenommen wurden, Mädchen schafften den Schritt deutlich häufiger als Burschen.

Kinder von Eltern mit niedrigeren Bildungsabschlüssen gehen indes öfter in eine Berufsbildende mittlere Schule (20 Prozent) oder machen eine Lehre (29 Prozent).
Das Forscherteam hat sich auch angesehen, welche Rolle Noten beim Übergang spielen. Dabei zeigte sich, dass deren Einfluss - vor allem in Mathematik, Englisch und Deutsch - zwar grundsätzlich wichtiger ist als der Bildungshintergrund der Eltern. Vor allem beim Übertritt ins Gymnasium bleibt der Herkunftseffekt allerdings auch dann erhalten, wenn man die Noten berücksichtigt. Sprich: Bei gleichen Noten haben Akademikerkinder bessere Chancen auf den Übertritt in eine AHS als andere. Von jenen Schülerinnen und Schülern, die einen Einser in Mathematik hatten und deren Eltern eine Hochschule abgeschlossen haben, besuchten nach der Mittelschule 30 Prozent eine AHS. Hatten die Eltern einen niedrigeren Bildungsabschluss, war der Anteil nur etwas mehr als halb so groß.

Nicht so signifikant

Bei den BHS ist der Effekt des Elternhauses bei Berücksichtigung der Noten zwar nicht mehr statistisch signifikant und es ist dort laut Flecker leichter als bei den AHS, durch gute Noten den „unpassenden“ Bildungshintergrund zu kompensieren. Allerdings seien die Noten selbst stark durch die Herkunft beeinflusst, weil Eltern mit höherem Bildungsabschluss auch mehr Möglichkeiten haben, ihren Kindern beim Lernen zu helfen, Nachhilfe zuzukaufen und den Kindern gute Lerninfrastruktur zu finanzieren.

Ob Mittelschul-Absolventen eine AHS oder BHS besuchen, hängt laut Studie außerdem auch damit zusammen, ob sie von ihren Lehrerinnen und Lehrern eine Empfehlung zum Besuch einer maturaführenden Schule bekommen haben. Vor allem Jugendliche, deren Familien wenig Geld haben, „können eine deutlich wahrgenommene Empfehlung der Lehrer und Lehrerinnen auf ihrem Bildungsweg zum Vorteil nutzen“, so das Autorenteam.

NMS ist keine Restschule

Für diese Studie wurden zwar nur Schülerinnen und Schüler aus Wien befragt. Laut Flecker kann man den Befund, dass auch beim Übergang nach der Mittelschule das Elternhaus den Bildungsweg stark beeinflusst, allerdings auf ganz Österreich umlegen. Für Wien hebt er ein positives Ergebnis hervor: Oft heiße es in Wien, dass die Mittelschulen „Restschulen“ für jene Kinder seien, die es nicht ins Gymnasium schaffen. „Wir konnten zeigen, dass das mit der Restschule so nicht stimmt.“ Es gebe an diesen Schulen Schülerinnen und Schülern unterschiedlichster Herkunft, die Hälfte habe als Bildungsziel ein Studium und auch bei den Wegen nach der Mittelschule gebe es eine große Vielfalt.

Kommentare