Mammut: Warum die zotteligen Dickhäuter der Eiszeit ausstarben
2.000 km südlich des Pols, 550 km nördlich des Polarkreises liegt die russische Wrangelinsel. Mitten im Arktischen Ozean bietet sie heute Arten wie Eisbär, Moschusochse und Polarfuchs idealen Lebensraum; auch Zugvögel nützen die 7.608 km² kleine Erhebung als Stützpunkt.
Vor 10.000 Jahren zogen sich die letzten Wollhaarmammuts der Erde über eine temporäre Landbrücke hierher zurück. 200 Generationen später verliert sich jede Spur von Mammuthus primigenius.
Eine aktuelle Studie – erschienen im Fachjournal "Cell" – wollte einmal mehr herausfinden, warum die einst so erfolgreichen Säuger endgültig ausstarben. Dafür analysierten die schwedische Zoologin Marianne Dehasque und Kollegen das Erbgut von 14 Insel- und sieben sibirischen Wollhaarmammuts.
Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, dass Inzucht alleine das Aus der Art nicht erklärt. Denn die letzten acht Wrangel-Mammuts hatten es auf mindestens 200 bis 300 Nachkommen gebracht; (viel mehr hätte die Insel in der Größe von Salzburg Land auch nicht vertragen).
Gravierend schädliche Mutationen wurden offenbar nicht weiter vererbt, geringfügig ungünstige Mutationen häuften sich nur langsam an. Erst nach 6.000 Jahren war definitiv Schluss mit den zotteligen Dickhäutern.
Mammuts stammen ursprünglich aus Afrika. Chronologisch entwickelten sich daraus die Südmammuts, die Steppenmammuts und schließlich die Wollhaarmammuts. Afrikanische und Asiatische Elefanten sind nur weitschichtig verwandt – was das Klonen zusätzlich erschwert.
Wollhaarmammuts waren lange die am weitesten verbreiteten Großsäuger der Erde. In Mitteleuropa traten sie erstmals vor etwa 200.000 Jahren auf. Am Ende des Pleistozäns vor zirka 11.000 Jahren starben sie in Europa und Nordamerika aus.
Die Rüsseltiere waren weder Riesen – sondern mit einer Schulterhöhe von 2,5 Metern kleiner als heutige Afrikanische Elefanten –, noch lebten sie im ewigen Eis, dort wären die Pflanzenfresser verhungert.
Anhand der Backenzähne lassen sich die genaue Art und das Alter des Tieres bestimmen. Im besonders harten Felsenbein des Ohres findet sich oft noch verwertbare DNA. Am besten erhalten sind im Permafrost mumifizierte Mammuts. Der jüngste Knochenfund aus Österreich im Mai wird gerade für die weitere Beforschung restauriert.
Klimawandel setzte den Pflanzenfressern zu
„Es werden verschiedene Gründe auch für das Aussterben der Wollhaarmammuts auf dem Festland diskutiert“, sagt Paläontologin Ursula Göhlich. Die Expertin für fossile Wirbeltiere im Naturhistorischen Museum Wien hält die Klimawandel-Theorie für am wahrscheinlichsten:
Nach der letzten Eiszeit vor rund 11.000 Jahren brachte die Erderwärmung gravierende Veränderungen. Die Pflanzenfresser konnten sich wohl nicht an die Wälder statt Steppen, die Gräser statt krautiger Pflanzen, den angetauten, feuchten Permafrostboden statt der konstant trockenen Kälte anpassen. Auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen wanderten sie Richtung Norden. Der Großteil blieb auf der Strecke. Auf der Wrangelinsel schließlich war Endstation.
Bejagung brachte die Fettlieferanten in Bedrängnis
„Auf der isolierten Insel hatte der Mensch mit Sicherheit nichts mit dem Aussterben der Mammuts zu tun“, sagt Hannah Parow-Souchon, seit kurzem verheiratete Rohringer. Für die Verwandten auf dem Festland zieht die Archäologin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die Theorie der Ausrottung durch Bejagung aber am ehesten in Betracht.
Das Fett der haarigen Muskelprotze war extrem nahrhaft, dafür hätten die Steinzeitmenschen die Gefahren der Jagd in Kauf genommen. Wie sie die Herdentiere erlegten, ist noch offen. Fest steht jedoch, dass die Nutzung v.a. jüngerer Tiere vor 29.000 bis 30.000 Jahren am intensivsten war. Artefakte aus Elfenbein, Schmuck aus Zähnen sowie Knochen, die zu Hütten verbaut wurden, zeugen davon.
In Österreich gibt es zahlreiche fossile Funde
Tatsächlich erzählen die fossilen Überreste von Mammuts Geschichte. Auch österreichische. „Wir haben zwar kein ganzes Skelett, aber tausende Fragmente bei uns im Museum“, sagt Göhlich. Um die 100 Stücke stammen aus Wien um 1900. Damals wurde viel gebaut – ohne die zerstörerische Kraft von Bagger und Bohrer.
Auch aus Niederösterreich – wie zuletzt in einem Weinkeller in Gobelsburg –, Oberösterreich und Teilen der Steiermark stammen zahlreiche Relikte. Die Lössschicht konservierte die Mammutteile in nur fünf bis zehn Metern Tiefe. Ebenso geben Sand- und Kiesgruben immer wieder Knochen, Backen- und Stoßzähne frei. Die vergletscherten Gebiete in den Alpen dagegen mieden die Vegetarier; sie mussten 200 Kilo Pflanzen pro Tag fressen.
Aktuelle Erkenntnisse geben Hoffnung für Artenschutz
Machte also doch ein Nahrungsmangel den Mammuts den Garaus? Oder war es die Kombination aus Klimawandel und Mensch? „Wir werden es nie herausfinden“, sind sich Rohringer und Göhlich einig.
Schließlich fanden auch die schwedischen Wissenschaftler keine einfache Erklärung für das Schicksal der Wrangel-Mammuts. Studien-Erstautorin Dehasque hebt aber einen anderen Schluss hervor: „Gefährdete Populationen können sich rasch erholen. Das hat weitreichende Auswirkungen auf Schutzmaßnahmen bedrohter Arten.“
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