Stalingrad, die Hölle auf Erden

Stalingrad, die Hölle auf Erden
Heute vor 80 Jahren war die Niederlage der Wehrmacht in Stalingrad nur noch Tage entfernt – die Soldaten versuchten, mit drei Scheiben Brot bei minus 30 Grad zu überleben

„Meine lieben Eltern, wenn es geht, schickt mir Lebensmittel. So ungern ich es schreibe, aber der Hunger ist groß. Von 380 Mann, die so stolz ausrückten, sind noch etwa 100 Gestelle aus Haut und Knochen vorhanden. Wir Überlebende können kaum noch laufen vor Hunger und Schwäche. Wenn das so weiter geht, werden wir alle verhungern“, fleht ein deutscher Soldat im Jänner 1943 in einem Brief. Einer der wenigen, die der Vernichtung entgingen – Joseph Goebbels hatte befohlen, alle negativen Frontbriefe aus Stalingrad zu vernichten, um nicht die „Heimatfront“ zu destabilisieren.

Stalingrad, die Hölle auf Erden

Die Front in Stalingrad ist zu diesem Zeitpunkt schon längst eingebrochen – Häuserblock für Häuserblock rückt die Rote Armee vor, die 6. Armee ist bereits seit Wochen eingekesselt, Essen und Munition Mangelware. „Pro Tag hat jeder Soldat drei Scheiben Brot bekommen“, sagt Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung und Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Graz, zum KURIER.

Stalingrad, die Hölle auf Erden

Wie minus 30 Grad

„Dazu kommt, dass gerade die Wehrmacht äußerst unzureichend ausgerüstet war, um den Winter, der ja immer kälter wurde, zu überstehen. Ich habe selbst ein Semester in Wolgograd (Anm.: heutiger Name Stalingrads) studiert. Bei minus zehn Grad fühlt es sich durch den kalten Wind wie minus 30 Grad an“, sagt sie.

Dennoch – der Kampf geht weiter, eine Kapitulation ist von Adolf Hitler ausdrücklich verboten. Im Sommer davor hatte er die Offensive auf den Kaukasus angeordnet – vorrangiges Ziel waren die dortigen Erdölfelder. „Doch auch Stalingrad war wegen seiner Lage und der Industrie ein wichtiges Ziel und hatte vor allem aufgrund seines Namens Symbolcharakter – für beide Seiten“, sagt Stelzl-Marx. Nach massiven Luftbombardements rückte die Wehrmacht in Stalingrad vor, nahm 90 Prozent der Stadt ein.

Stalingrad, die Hölle auf Erden

Jedes Zimmer eine tödliche Falle

„Die Stadt war ein Trümmerfeld. Jeder Keller, jeder Hauseingang, jedes Haus, jedes Zimmer konnte eine tödliche Falle sein überall konnte ein feindlicher Scharfschütze lauern. Aus diesem Grund sprach man auch vom ‚Rattenkrieg‘“, sagt die Historikerin. Mitte November kam der Wendepunkt: Der Kreml lancierte die „Operation Uranus“ – mehr als eine Million Soldaten wurden zusammengezogen – viel mehr, als Nazideutschland erwartet hatte.

Flieger abgeschossen

Mit den in Stalingrad verbliebenen Truppen als Köder rückte die Rote Armee am 19. November vor, kesselte die Wehrmacht binnen vier Tagen ein. „Die Wehrmacht war zu diesem Zeitpunkt stark geschwächt, nun kam hinzu, dass die Versorgung aus der Luft immer prekärer wurde. Ich habe noch mit Veteranen gesprochen, die mit den letzten Fliegern evakuiert wurden. Viele wurden abgeschossen“, sagt Stelzl-Marx. „Man muss auch dazu sagen, dass die schlechten katastrophalen Bedingungen nicht nur für die deutschen Wehrmachtssoldaten gegolten haben, sondern auch für die Zivilisten, die nach wie vor in Stalingrad waren. Auch die Rotarmisten hatten unter allerschrecklichsten Bedingungen zu leiden.“

Zwei Millionen Tote

Im Jänner rücken die Sowjets immer rascher vor, nehmen die letzten Flugplätze ein, splitten die 6. Armee immer mehr auf – bis am 31. Jänner Generalfeldmarschall Friedrich Paulus in Kriegsgefangenschaft gerät. Zwei Tage später kapituliert die 6. Armee – von den rund 110.000 von den Sowjets gefangen genommenen Wehrmachtssoldaten waren 84.000 ein Jahr später bereits tot. Nur knapp über 6.000 kehrten in die Heimat zurück. Insgesamt starben bei der Schlacht um Stalingrad mehr als zwei Millionen Menschen.

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