Klein, aber oho: Ambrosiakäfer leben in komplexem Sozialsystem

Die Käfer sind etwa zwei Millimeter klein.
Die Winzlinge aus der Gruppe der Borkenkäfer bauen gemeinsam Pilze an und kooperieren bei der Brutpflege.

Nicht nur Bienen und Ameisen leben in Staaten, auch zwei Käferarten tun das. Vor einigen Jahren hat der österreichische Biologe Peter Biedermann erstmals soziales Verhalten mit Arbeitsteilung beim Kleinen Holzbohrer, einer Ambrosiakäferart, festgestellt. Nun berichtet er im Fachjournal "Frontiers in Ecology & Evolution" über eine zweite Käferart mit hoch entwickeltem Sozialsystem: dem Zuckerrohr-Ambrosiakäfer. Der betreibt im Team Landwirtschaft mit Pilzen.

Pilze als Nahrung

Ambrosiakäfer gehören zur Gruppe der Borkenkäfer. Im Gegensatz zu Borkenkäferarten wie dem Buchdrucker, die als bedeutende Forstschädlinge gelten, ernähren sich die Ambrosiakäfer ausschließlich von einem Pilz, den sie in ihren Nestern züchten. Das ist arbeitsintensiv und daher wurde Kooperation zwischen den in Kolonien lebenden Käfern schon lange vermutet.

Nur wenig Ackerbauern

"Ambrosiakäfer sind neben uns Menschen sowie Blattschneiderameisen und manchen Termiten die einzigen Tiere in der Natur, die Ackerbau betreiben", erklärte Biedermann, der kürzlich zum Professor für Forstinsekten und Waldschutz an die Universität Freiburg im Breisgau (Deutschland) berufen wurde.

Säen, pflegen, verteidigen

Die etwa zwei Millimeter kleinen Insekten tragen Pilzsporen in ihre Nester und säen sie in eigens angelegte Röhren im Holz aus. Anschließend pflegen sie die wachsenden Pilzkulturen, die ihnen als Nahrung dienen. Sie müssen dabei ihre Pilze auch gegen Schädlinge verteidigen, etwa gegen andere Pilze, die die Kulturen zu überwuchern drohen.

Kinder helfen fleißig mit

Weil einzeln lebende Käfer damit überfordert wären, haben die Tiere im Lauf der Evolution ein ausgeklügeltes Sozialsystem entwickelt, das jenen von Bienen und anderen sozialen Insekten ähnelt. Beim Zuckerrohr-Ambrosiakäfer legt ein weiblicher Käfer ein neues Nest mit Pilzgärten an. Sobald sich erster Nachwuchs entwickelt, bleiben viele weibliche Jungkäfer vorerst bei ihrer Mutter und helfen ihr bei der Pilzpflege und bei der Aufzucht des Nachwuchses. So haben die Forscher etwa beobachtet wie die nichtbrütenden Töchter Exkremente und Sägemehl bis zum Ausgang ihres Nest transportieren.

Eierlegende Schwestern sind sozialer

Vergleichbar ist das mit den Arbeiterinnen der Honig-Bienen. "Im Unterschied zu den sterilen Bienen-Arbeiterinnen sind die Käfer-Arbeiterinnen aber fortpflanzungsfähig: Sie entscheiden je nach Lebenslage, ob sie irgendwann doch noch ein eigenes Nest gründen, ob sie selbst im Geburtsnest Eier legen oder ob sie ausschließlich der Mutter helfen", erklärte Biedermann.

Dabei helfen Töchter, die sich selber nicht fortpflanzen, zwar bei der Arbeit im Nest, zeigen aber weniger soziale Verhaltensweisen als ihre eierlegenden Schwestern. Und die Käfer passen ihre Arbeitsleistung dem Bedarf an, je nachdem, ob gerade viele oder wenige "Unkrautpilze" im Nest wachsen.

Männchen haben nur eine Aufgabe

Die einzige Aufgabe der Männchen übrigens, von denen es pro Nest nur ein bis zwei gibt, ist es, sich mit allen Schwestern zu verpaaren. "Sie fressen und suchen nach unverpaarten Weibchen, aber beteiligen sich nicht am sozialen Brut- und Pilzpflegeverhalten", so Biedermann.

Kooperation unter Käfern bleibt Ausnahme

In Europa geht der Biologe davon aus, dass keine weitere der etwa zwanzig vorkommenden Ambrosiakäferarten ein so hoch entwickeltes Sozialsystem wie die zwei bisher untersuchten Käfer aufweist, auszuschließen sei es aber nicht. Weltweit sei davon auszugehen, dass es noch weitere kooperativ brütende Arten gebe.

Unkrautvernichtung als Vorbild

Biedermann bezeichnet dieses in der Natur sehr seltene Sozialsystem der kooperativen Brutpflege als "Vorstufe zum Staatswesen der sozialen Insekten mit ihren sterilen Arbeiterinnen und einer fruchtbaren Königin". Er hofft, dass dieses System hilft, die Evolution von Euozialität, wie das Verhalten sozialer Arten wie Bienen oder Ameisen genannt wird, nachzuvollziehen. Besonders interessiert sich Biedermann aber für die 60 Millionen Jahre lange Erfahrung der Käfer in nachhaltiger Landwirtschaft, etwa wie sie gegen Resistenzen von "Unkrautpilzen" vorgehen: "Vielleicht können wir für unsere Landwirtschaft davon lernen."

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